Denkmalbereich Nr. 2 'Rahser' - Gutachten

Listenart: Denkmalbereich,
Listen-Nummer002
Baujahr-
eingetragen seit10.12.1999
Flur / Flurstück-
Anschrift, Viersen - Viersen

Zur Entwicklung des Rahser
An der Straße von Viersen nach Süchteln lag seit dem Mittelalter ein Hof, der erstmals 1382 als Hof "von Raethuysen" erwähnt wird und sowohl der entstehenden Honschaft als auch der gesamten Feldflur den Namen gab: Rathuser Feld. Der Name Rathusen veränderte sich im Laufe der Zeit zu "Rathaussen", "Raeteser", "Raetzer" und "Rahser"; er setzte sich ursprünglich aus den Begriffen "rod / rad" (= Rodung) und "husun" (= Häuser) zusammen und bedeutet etwa "an den Häusern in der Rodung". Das Gelände hatte vermutlich in römischer Zeit zum Terrain eines Gutshofes gehört und war nach der Landnahme durch die Germanen zur Wildnis geworden, die später erneut freigelegt wurde. Wahrscheinlich im Jahr 1642 wurde der Rahser Hof von den vereinten französisch-weimarisch-hessischen Truppen niedergebrannt.
Für das 17. Jahrhundert sind ca. 20 Bauernhöfe und bäuerliche Anwesen im Rahser Feld nachweisbar. Eine Veränderung der von Landwirtschaft geprägten Siedlung erfolgte nach der Errichtung der ersten Textilfabriken in Viersen gegen Ende des 19. Jahrhunderts (1886-1892 Pongs & Zahn).
Der durch die Industrialisierung bedingte Bevölkerungszuwachs erforderte, dass zusätzlicher Wohnraum zur Verfügung gestellt werden musste, der der wirtschaftlichen Situation von Industriearbeitern und kleineren Angestellten angepasst war.

Ähnliche Veränderungen gab es in den Städten der Umgebung, so dass seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vielerorts gemeinnützige Baugesellschaften und Baugenossenschaften gegründet wurden, die zunehmend an Bedeutung gewannen.
Getragen vom gehobenen Bürgertum und gegründet aus patrialistischen und humanitären Beweggründen, entwickelten diese Vereinigungen eine rege Bautätigkeit und wurden schnell zu den fortschrittlichsten Bauherren, da sie sich die soziale Entwicklung zum Ziel gesetzt hatten und dafür auch neue technische und städtebauliche Ideen aufnahmen.
Aufgrund dessen erhielten sie häufig die Unterstützung der Städte, die z.B. billigen Baugrund, Gelder oder Kredite zur Verfügung stellten.
Neben den privatwirtschaftlichen Baugesellschaften, deren Interesse mehr am eigenen Verdienst orientiert war, und den gemeinnützigen Baugesellschaften, die ihre Gewinne wieder dem Wohnungsbau zuwandten und die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum förderten, gab es die gemeinnützigen Baugenossenschaften als Selbsthilfeorganisation bauwilliger Mitglieder.
Der westliche Teil des Gebietes Rahser, des heutigen Oberrahser, Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft Viersen nannte, der Viersener Aktienbaugesellschaft (VAB) und der Aktienbaugesellschaft des Kreises Gladbach. Auch die Stadt Viersen errichtete Wohnhäuser.
Allen gemeinsam war das Ziel, gute, gesunde und zweckmäßig eingerichtete Kleinwohnungen zu angemessenen Mieten und der Möglichkeit des späteren Erwerbs zu errichten. Die ersten Projekte vor dem Ersten Weltkrieg waren die Gebäude auf der Südseite der Rahser Straße und die Häuser 101-115 auf der Süchtelner Straße, verwirklicht durch die Spar- und Baugenossenschaft und die VAB.
Nachdem sich die Wohnungssituation nach dem Krieg dramatisch verschärft hatte, wurden den Kommunen enorme Anstrengungen zur Problembewältigung zugemutet. Nach dem 1918 erlassenen preußischen Wohnungsgesetz lag die Zuständigkeit für eine erweiterte Wohnungsfürsorge und -aufsicht bei den Gemeinden, wozu eigene Wohnungsämter eingerichtet wurden. Dies war der Beginn einer umfangreichen Wohnbautätigkeit während der zwanziger Jahre, unterstützt von flankierenden Maßnahmen, wie z.B. der "Hauszinssteuer" und deren Verwendung in Projekten der Bauvereinigungen. In Viersen war damit eine Erweiterung des Stadtgrundrisses in den randstädtischen Bereich verbunden, so auch im Rahser, dessen städtebauliches Konzept schon vor dem Ersten Weltkrieg erstellt und dessen Fluchtlinien bereits festgelegt waren (Plan einer projektierten Straße, 1907; Festsetzung der Baufluchtlinien in der Stadtverordnetenversammlung von 1911).

Entwicklung des Bereichs Oberrahser
Das einem Rechteck ähnelnde Rahser Feld, eingegrenzt von der Oberrahser Straße im Norden und der Rahser Straße im Süden, wies seit dem 18. Jahrhundert zwei diagonal verlaufende Feldwege als kürzeste Verbindung zwischen den Ansiedlungen auf. Die erste befestigte Straße über das Rahser Feld war die Regentenstraße, 1907 als projektierte Verbindung der beiden Straßen in einem Plan verzeichnet. Dass der Verlauf der heutigen Nauenstraße ebenfalls vor dem Ersten Weltkrieg festgelegt war - als Parallelstraße zwischen Oberrahser- und Rahserstraße -, lässt sich nicht nur durch die Fluchtlinienbestimmung von 1911 belegen (Fluchtlinienpläne sind verschollen), sondern auch durch die Ausbildung einer Ecksituation an der Süchtelner Straße (107 und 109), die spätestens 1914 fertiggestellt war.
Die Entscheidung, an der Kreuzung von Regentenstraße und Nauenstraße, zum damaligen Zeitpunkt mitten auf dem Rahser Feld, eine Volksschule als Ergänzung der beiden bereits vorhandenen Schulen an der Sittarder Straße zu errichten (1911), lässt sich mit einem langfristig angelegten Bebauungsvorhaben, dem Ausbau eines neuen Wohngebietes, erklären. Mit der Volksschule und der 1915 geplanten, aber erst 1929 errichteten katholischen Kirche begann die städtebauliche Zentrierung des Rahsers, dessen westlicher Bereich Gegenstand dieser Beschreibung ist.

Der Bau der Notburgakirche nach einem neoromanischen Entwurf von Joseph Kleesattel war 1915 beschlossen worden. Der ursprünglich vorgesehene Standort der Kirche lag östlich von der Stelle, an dem sie später errichtet wurde. Es war geplant, die Straßen im Rahser auf dem Kirchvorplatz zusammenlaufen zu lassen; die Stadt hatte sich verpflichtet, den Ausbau der Straße zu übernehmen. Der Erste Weltkrieg verhinderte die Realisierung der Baupläne. Erst 1923 erfolgte nach zahlreichen Sammlungen, die die durch die Inflation verlorengegangenen Ersparnisse ausgleichen mussten, eine Ausschreibung für den Kirchenneubau. Die Zusage erhielten die Architekten Dr. Sültenfuß und Kuno Seidel aus Düsseldorf, deren moderner Baukonzeption der Vorrang vor historistischen Entwürfen gegeben wurde. Errichtet wurde die Notburgakirche auf einem der Gemeinde geschenkten Grundstück, infolgedessen lag die Kirche nicht mehr direkt auf der Achse der Nauenstraße, sondern seitlich des Weges.
Am 15.09.1929 erfolgte die Konsekration der neuen Kirche, die noch lange Zeit mitten in den Ackerflächen und Wiesen des Rahser Feldes stand und nur durch Fußwege erreichbar war.
In der Literatur wird im Zusammenhang mit dem Kirchenbau ein Bebauungsplan von 1925/1926 für das Rahser Feld erwähnt, für den Stadtbaumeister Steinhauf und der Düsseldorfer Stadtplaner Hecker verantwortlich waren; der Plan war bisher noch nicht auffindbar. 1929 versprach Steinhauf der Pfarrgemeinde die tätige Unterstützung der Stadt für den Ausbau des Rahsers, 1930 gab es die ersten befestigten Zugangswege zur Kirche. Zwischen 1930 und 1936 entstanden in der Alsenstraße (2-6 und 1-7), der Düppelstraße (2-8 und 1-5) und der Gelderner Straße (2-8) noch einige Häuser durch die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft.
Den ersten Bebauungen der gemeinnützigen Vereinigungen an Süchtelner und Rahser Straße folgten die Häuser an der Regentenstraße und Nauenstraße. Ein Großteil der Häuser im Oberrahser stammt aus den zwanziger Jahren (Regentenstraße, Nauenstraße, Pastor-Lambertz-Straße) und wurde weitgehend nach den Entwürfen von Willy Esser, Architekt des Stadtbades und des Kaiser-Wilhelm-Bades, und Josef Gormanns sen. & Sohn verwirklicht. Josef Gormanns (jun.) war seit den dreißiger Jahren allein für den Entwurf der Bauten in der Nauenstraße, Alsenstraße, Düppelstraße und Gelderner Straße verantwortlich. Die Häuser an der Süchtelner Straße gehen auf den Architekten Franz Kreuzer zurück, die Häuser, die der Kreis Gladbach errichten ließ, auf den Leiter des Kreisbauamtes Lawaczeck.

Die zweite Hauptbauphase im Rahser nach den zwanziger Jahren war die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg; in den Jahren 1950-1955 wurde der obere Teil der Düppelstraße um die Häuser 10-40 und 7-33 erweitert, die Pastor-Lambertz-Straße (2-10), die Rahser Straße (69-77) und die Regentenstraße (57-68a) mit Bauten geschlossen. Diese Nachkriegsbauten wurden von Josef Gormanns (jun.) entworfen und die bisherige Bauweise kontinuierlich fortgesetzt, so dass einige Straßen- und Straßenabschnitte ganz auf die Entwürfe von Vater und Sohn Gormanns zurückgehen. Gleiches trifft auf große Teile der Regenten- und Rahserstraße zu, die von Willy Esser stammen.

Elemente
Der vorgeschlagene Denkmalbereich ist ein Zeugnis des Kleinwohnungswesens in Siedlungsform. Bereichsprägende Elemente sind der Grundriss, die aufgehende Bausubstanz und die zugehörigen Freiflächen, hier insbesondere die Gartenflächen. Diese Elemente fügen sich zusammen zu einer strukturellen städtebaulichen Einheit, die flächenhaft, räumlich und im Erscheinungsbild erfahrbar ist.

Grundriss
Der Grundriss setzt sich zusammen aus Wegenetz und Parzellenschnitt.
Die Erschließungsstraßen bilden ein annähernd rechtwinkliges liegendes (d.h. mit westöstlicher Grundrichtung) Raster. Zentrale Achse ist die von der Süchtelner Straße abzweigende Nauenstraße; die Regentenstraße bildet im Osten, die Rahser Straße im Süden den Abschluss des engeren Siedlungsbereichs. Da aufgrund sukzessiven Baufortschritts im Rahser bei der Grenzziehung des Bereichs nicht vom Wegenetz, sondern vom Zeugniswert der Bebauung ausgegangen wurde, sind andere Straßen nur partiell in den Denkmalbereich miteinbezogen worden.
Die Nauenstraße weitet sich in ihrer Mitte zu einem angerartigen Platz, der heute als Parkplatz mit begrüntem Trennstreifen zur Straße hin ausgebildet ist. Die hier und an der Ecke zur Regentenstraße angeordneten Ladengeschäfte sowie die benachbarte Schule weisen diesen Bereich als ein Zentrum der Siedlung aus.
Wichtige Bestandteile des Wegenetzes sind die ungepflasterten Fußwege durch die Kleingartenanlagen hindurch, die für fußläufige Quer-Verbindungen zwischen den Straßen sorgen. Ebenfalls ein Fußweg verbindet Rahser Straße und Süchtelner Straße entlang des Bahndamms.
Die Parzellen der Grundstücke werden auch bei zu breit gelagerten Mehrparteienhäusern zusammengezogenen Wohneinheiten geprägt durch rückwärtige "private" Hausgärten. Es entstehen so schmale, jedoch tiefe Grundstückseinheiten; ein Schema, das lediglich an einigen Stellen durchbrochen ist. Die Blockinnenbereiche werden im mittleren und östlichen Bereich als Kleingartenanlagen genutzt; im Westen finden sich an ihrer Stelle Hausgärten oder eher diffuse, z.T. als Garagenstandorte genutzte Bereiche.

Bausubstanz
Die historische Bausubstanz ist von wenigen Ausnahmen abgesehen noch in ihrem historischen Zeugniswert für die Entwicklung des Kleinwohnungsbaus in der Siedlung Rahser erhalten. In Bezug auf Baukörperstellung, -proportion und Erscheinungsbild sind nur vollständig verklinkerte oder in anderer Weise durchgreifend veränderte Bauten oder Gebäudeteile nicht als zumindest erhaltenswert im Sinne eines Denkmalpflegeplans (§ 25 DSchG NW) einzustufen. Die als Baudenkmal gemäß § 2 DSchG NW gekennzeichneten Gebäude beziehen ihre Denkmaleigenschaft nicht allein aus ihrem Eigenwert, sondern aus ihrer Eigenschaft als Teil des zentralen Abschnitts der Siedlung an der Nauenstraße, der als Gesamtheit eine Ausweisung als ein Baudenkmal (Siedlung) rechtfertigt. Ein Gutachten zu diesem Baudenkmal Siedlung Nauenstraße wird vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege gesondert erstellt.

Trotz einiger Unterschiede in der Detailausführung lassen sich grundsätzliche Übereinstimmungen und wesentliche Charakteristika feststellen, die auf die gemeinsamen Ideale der damaligen Bauträger zurückzuführen und bis heute erkennbar sind. Der Leiter des Kreisbauamtes, Lawaczeck, beschrieb 1929 die Grundsätze der Gemeinnützigen Aktienbaugesellschaft des Kreises Gladbach folgendermaßen: angestrebt seien vor allem "Ehrlichkeit der Baugesinnung und Bescheidenheit", die die Funktion der einfachen Häuser nicht hinter verfälschendem Schmuckwerk verstecke, sondern eine schlichte, sachliche Planung bewirke. Die Einpassung der Architektur in das Ortsbild und die Landschaft müsse berücksichtigt werden durch die Wahl ortsüblicher Baustoffe und durch Vermeidung fremder Formen. Um in sich abgeschlossene Gebilde, wie z.B. Kirchen, Rathäuser oder Schulen, sollten sich die Wohnbauten "wie Schäflein um die Hirten" scharen. Auf Einheitlichkeit des Materials und der Gestaltung wurde großer Wert gelegt, auf einheitlich typenhafte Fenster-, Dach- und Gesimsausbildung und auf eine handwerksgerechte Durchführung der Einzelheiten - unter Ablehnung jeder gesuchten Ornamentik. Beim gestalterischen Anschluss an das Nachbarhaus sollte mit größter Rücksichtnahme vorgegangen werden.
Diese Bauweise sollte keinesfalls monoton wirken, vielmehr sollten Baukörper geschaffen werden, die bei einfachster Ausführung und sachlichem Grundriss in Material und Gestaltung "das Aug und Herz wohltuend berühren" sollten.

Von Lawaczeck und seinen Architekten der Aktienbaugesellschaft wurden verschiedene Wohnhaustypen für die in mehreren Städten geplanten Siedlungen entworfen, die durch die Anordnung passender Bautiefen, gleicher Geschosshöhen, Dachneigungen, Gesimse u.ä. zu beliebigen Baugruppen zusammengesetzt werden konnten - je nach Wohnungsprogramm und Baustelle, wobei Speziallösungen in Sonderfällen ebenfalls ausgearbeitet wurden.
Die Häuser Nauenstraße 29a-41, 43-57 und 44-56 wurden nach diesem Prinzip konzipiert (vgl. Modellentwürfe der Aktienbaugesellschaft) und von Lawaczeck in seinem Bericht als Beispiele genannt.

Die nach Plänen von Willy Esser durch die VAB errichteten Häuser in der Regentenstraße entstanden ebenfalls nach einem sehr einheitlichen Prinzip, wie es die Grundrisse erkennen lassen, die sich innerhalb einer Häuserzeile mehrmals wiederholen. Willy Esser weicht die Einheitlichkeit teilweise etwas auf, indem er die Straßenfront der Häuser mit unterschiedlichen Giebeln und Eingangssituationen versieht, so dass der Eindruck von harmonisch aneinandergereihten Einzelhäusern entsteht. Der Gesamteindruck der Straßenfront ist jedoch entscheidender als das Einzelhaus oder die Einzelhaushälfte.

Essers Zielsetzung wird deutlich aus folgendem Zitat:
"Wie bei anderen älteren Baugesellschaften, lässt sich auch an den Bauten der VAB erkennen, wie im Laufe der Jahre deren Gestaltung im Inneren und Äußeren den Anforderungen der Zeit, dem Fortschritt der Technik und der veränderten Geschmacksrichtung gefolgt sind. (...) Was die zu Ende des vergangenen und Anfang dieses Jahrhunderts errichteten Wohnhäuser anbetrifft, so lassen die äußere Gestaltung und die Anordnung derselben eine harmonische Zusammenwirkung vermissen. Man war in erster Linie darauf bedacht, Wohnungen zu schaffen und begnügte sich damit, in Nachbarstädten ausgeführte Typen durch Bauunternehmer kopieren zu lassen und dies, ohne Berücksichtigung der architektonischen Gesamtwirkung und des Straßenbildes, als Reihenhäuser oder in gleichmäßigen Abständen, je nach Bedarf, nebeneinander zu setzen. Zu einem planmäßigen, die Gesamtwirkung im Auge behaltenden Bauen nach aufgestellten Programmen und Bebauungsplan, war man noch nicht gekommen. Die in den Jahren vor dem Weltkrieg errichteten Bauten lassen hierin schon eine Besserung erkennen, doch wurde hierbei zu viel Wert darauf gelegt, dass jedes Haus als solches vom Nachbarhaus genügend abstach bzw. sich für sich heraushob [z.B. die Häuser Süchtelner Straße 101-115 als "Tor" zum Oberrahser, Anm. d. V.]. Diese Anschauungen und die teilweise hindernd im Wege stehenden baupolizeilichen Bestimmungen ließen eine ruhige Gesamtwirkung nicht aufkommen. Eine Wandlung hierin zeigen die Nachkriegsbauten. Diese zusammengefassten Wohnhausgruppen mit ihren ruhigen Dächern und harmonischer Flächenaufteilung weisen gegenüber den unruhigen Vorkriegshäusern eine wohltuende Wirkung auf. (...) Dass mit diesem Entwicklungsgang des Äußeren auch der des Innern gleichen Schritt gehalten hat, sei noch erwähnt."

Eine Einzelbeschreibung der historischen Bausubstanz im Hinblick auf ihre kennzeichnenden Merkmale ist als Anlage beigefügt und Bestandteil dieses Gutachtens.

Kleingartenanlagen
Ein charakteristisches und bedeutendes Merkmal Rahsers sind die vier Kleingartenanlagen in Blockinnenbereichen. Sie sind in diesem Umfang und hinsichtlich ihres Pflege- und Erhaltungszustandes ein seltenes Zeugnis des historischen Kleingartenwesens und daher von überörtlicher Bedeutung.
Über ihre Kennzeichnung im Plan als Grünfläche mit durchschneidenden Fußwegen hinaus enthalten sie folgende erhaltenswerte Elemente: Die Fußwege mit wassergebundener Decke begleiten schmale Rasenstreifen ohne sonstige Gestaltung oder Bepflanzung. Als Begrenzung der Einzelparzellen zum "öffentlichen Raum" dienen Ligusterhecken mit zwischengesetzten Metalltoren als Zugang. Die Parzellen der durchweg noch gemäß ihrer historischen Funktion als Nutzgärten genutzten Gärten sind in der Regel sehr schmal und dafür von großer Tiefe; untereinander werden sie meist von einfachen Drahtzäunen getrennt. Im hinteren Teil der Gärten befinden sich jeweils Gartenhäuschen in ehemals wohl einheitlicher und auch heute noch so erkennbar erhaltener Gestaltung: als freistehende Baukörper auf rechteckigem Grundriss mit Lochfassade, einem großem Fenster in der Giebelseite zum Garten hin, seitlichem Eingang und flachem Satteldach. Grundfarbe der Häuschen ist weiß. Die Eingänge zu den Anlagen sind z. T. durch einen Versatz in der Wegeführung und/oder markante Einzelbäume besonders markiert.

Hausnahe Gartenflächen
Die im Unterschied zu den geschlossenen Kleingartenanlagen jeweils direkt den einzelnen Wohneinheiten zugeordneten Gärten sind rückwärtig hinter den Häusern angeordnet. Die ursprüngliche Nutzung als Nutzgärten ist vielfach noch erhalten. Hiervon zeugen auch noch die rückwärtig an den Häusern angebauten, für eine Kleinwohnungssiedlung mit Gartenbewirtschaftung jener Zeit typischen und erhaltenswerten Schuppen.

Räumliche Charakteristik
Grundzug des räumlichen Erscheinungsbildes von Rahser ist eine dem Kleinwohnungsgedanken entsprechende Sachlichkeit und Schlichtheit sowohl der Einzelhäuser als auch der städtebaulichen Disposition und der Gestaltung des Straßenraumes.
Trotz der unterschiedlichen Bauphasen, Bauträger und Architekten ordnen sich die Bauten alle einer Grundform zumindest ihres Straßenzuges unter, was das Gesamterscheinungsbild der Siedlung auf einige Grundmuster reduziert. Die einzelnen Bauphasen zeigen dabei für den Städtebau ihrer Zeit jeweils typische Formen, so dass im Rahser gleichsam bestimmte Teile einer Geschichte des Siedlungsbaus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland ablesbar sind.
Die frühesten Phasen von Rahser zeigen an der Süchtelner Straße die dieser Hauptstraße angemessenen städtischen Miethausformen der Zeit vor 1914, während in der ebenfalls noch vor dem Ersten Weltkrieg angelegten Regentenstraße der malerische Städtebau in der stärker voneinander abgesetzten Gestaltung der Einzelhäuser und vor allem der Begrünung des Straßenraumes mit ursprünglich Crataegus (Hahnendorn)-Bäumen zum Ausdruck kommt. Die Wohnbauten sind jedoch auch hier als in einer Flucht stehende Reihenhäuser mit weitgehend einheitlichen Baukörpern zu einer Großform zusammengebunden. Das Fehlen dieser Bäume und die einheitliche Fassadengestaltung der traufständigen Reihenhäuser vermittelt in der Nauenstraße ein Zeugnis des Siedlungsbaues der Zwischenkriegszeit, in dem Gedanken der Neuen Sachlichkeit in Verbindung mit den eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten dieser Jahre strengere und nüchternere Ergebnisse zeitigten. Nach wie vor stehen die Häuser hier aber direkt an der Straße bzw. deren Bürgersteigen, so dass sich geschlossene Straßenwände ergeben, unterbrochen lediglich von den seitlichen Durchgängen zu Eingängen und Gärten sowie den Aufweitungen am Platz, an den Straßeneinmündungen und im Bereich der Schule, deren Alt- und Neubau die einzigen Solitärbauten im hier angesprochenen Bereich von Rahser darstellen. Eine bemerkenswerte Variation findet sich an der Einmündung der Gelderner Straße, die in der Nauenstraße durch ein Vor- und Zurücktreten der Bebauung (und als Blickpunkte konzipierte Giebel) akzentuiert wird.
An Alsenstraße, Düppelstraße und Teilen der Pastor-Lambertz-Straße und Rahser Straße hingegen treten die Häuser z. T. hinter kleine Vorgartenbereiche, oft mit Einfriedungen aus wenige Steine hohen Ziegelmäuerchen zurück und öffnen den Straßenraum. Städtebauliche Vorstellungen der Moderne von einer stärkeren Durchlichtung und Durchgrünung der Siedlung werden hier wirksam, welche die strenge Trennung in Straßenraum und von ihm abgeschottete Gartenbereiche (Hausgärten und Kleingartenanlagen hinter den Häusern bzw. im Blockinneren) aufweichen.

Denkmalbereich
Ziel der Ausweisung eines Denkmalbereichs Rahser ist der Erhalt des strukturellen städtebaulichen Zusammenhangs des Siedlungsganzen und der historischen Bausubstanz als zentralem Träger des Erscheinungsbildes.

Der Schutz der städtebaulichen Struktur betrifft das Verhältnis bebauter zu unbebauten Flächen, die Bewahrung der Verteilung der Nutzungsebenen und der Bildung des öffentlichen Raumes. Im Grundriss der Siedlung kommt dies im Wesentlichen in der Anordnung von Straßen bzw. Wegen, Häusern und Gärten zum Ausdruck, deren heutige Verteilung in ihrem historisch gewachsenen Charakter bewahrt werden sollte.
Ferner zählt hierzu die Bildung und Ausgestaltung des öffentlichen Raumes durch historische Bausubstanz, Nutzgarten-Nutzung und Straßen- und Wegegestaltung. Hierbei muss beachtet werden, dass auch die Blockinnenbereiche aufgrund der gemeinschaftlichen Nutzung der Kleingärten und der sie durchquerenden Fußwege zum öffentlichen Raum zu zählen sind.
Besonders hingewiesen werden muss auf die nüchterne, schmuck- und weitgehend einbautenlose Straßenraumgestaltung (eine Ausnahme bildet die moderne künstliche Verengung im Bereich des Platzes an der Nauenstraße). Deutlich abgesetzt hiervon ist die Regentenstraße mit ihren beidseitigen Baumreihen.

Die historische Bausubstanz ist zentraler Träger des Erscheinungsbildes. Ihr Schutz bezieht sich vor allem auf den Erhalt von Material, Maß, Proportion, Anordnung sowie Groß- und Detailgestaltung, insbesondere Gebäudehöhen und -volumen, Baukörperstellung, Dachformen und -neigungen, Fensterformen, Baumaterialien. Die erhaltenswerten charakteristischen Elemente der Straßenzüge und Einzelhäuser sind in Anlage 1 beschrieben.
Dies gilt im übertragenen Sinne auch für die Gartenzonen, deren Erscheinungsbild eng an die Nutzung als Nutzgärten, den Erhalt der Weggestaltung, der Parzellentrennungen (Ligusterhecken und Drahtzäune, Metalltore) sowie der Gartenhäuschen gebunden ist. Als substantiell anschaulich erhaltenes Zeugnis des öffentlich geförderten Kleinwohnungsbaus der ersten sechs Jahrzehnte dieses Jahrhunderts ist das Rahser bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Viersen.
An der Erhaltung des in der Karte gekennzeichneten Bereichs der Siedlung besteht ein öffentliches Interesse aus wissenschaftlichen, insbesondere architektur- und ortsgeschichtlichen sowie aus städtebaulichen Gründen. Die Voraussetzungen für die Ausweisung eines Denkmalbereichs gemäß § 2 (3) DSchG NW sind gegeben.

Quellen und Literatur
Akte der Unteren Denkmalbehörde (Gutachten und Baubeschreibungen, C. Wicklein, 10.06.1997)
Auszug aus dem Beschlussbuch der Stadtverordneten-Versammlung zu Viersen vom 27.03.1911 und vom 02.11.1911, Stadtarchiv Viersen
F. W. Lohmann: Geschichte der Stadt Viersen, Viersen 1913
30 Jahre Viersener Aktienbaugesellschaft, Düsseldorf 1928
Lawaczeck: Vom Kreisbauamt, Kreisbau A. G. und Aehnlichen. IN: Der Kreis Gladbach. Ein Abschiedsgruß, Mönchengladbach 1929
Frielingsdorf (Bearb.): Viersen Dülken Süchteln. Deutschlands Städtebau, Berlin 2. Auflage 1930
Mackes, Karl: Aus der Vor-, Früh- und Siedlungsgeschichte der Stadt Viersen, Viersen 1956
St. Notburga 1923-1973. 50 Jahre Katholische Pfarrgemeinde in Viersen-Rahser, Düsseldorf 1973
Kander, Martin/Weber, Dieter/Weinforth, Friedhelm: Die rheinische Stadt. Lebensraum im Wandel der Jahrhunderte, Kleve 1988, S. 263
Kleingärten und Kleingärtner im 19. und 20. Jahrhundert. Hrsg. v. Bundesverband Deuscher Gartenfreunde, Leipzig 1996

Im Auftrag
Dr. Marco Kieser
Landschaftsverband Rheinland/Rheinisches Amt für Denkmalpflege
26.08.1997

Weiterführende Informationen

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