Katholische Pfarrkirche St. Remigius

Listenart: Baudenkmal, religiöse Denkmäler
Listen-Nummer371
Baujahrvor 843, Ende 12. Jh., 15. Jh. und 19. Jh.
eingetragen seit01.02.1999
Flur / Flurstück89/275
AnschriftRemigiusplatz 11a, Viersen - Viersen

Baugeschichte
um 340 Hlg. Helena gründet in Köln die Stiftskirche St. Gereon, schenkt der Kirche Ländereien in Viersen; daraufhin vermutlich 1.christliche Kirche in Viersen mit Pfarrpatron St. Gereon
vor 843 Errichtung einer fränkischen Saalkirche, die St. Remigius, Bischof von Reims geweiht war (Gesamtlänge: 17 m, Breite: 8,70 m, offener Chorraum: 4,90 m x 5,40 m). Fundamente 1982 unter Fußboden des Mittelschiffes entdeckt, durch Glasfenster sichtbar, Kennzeichnung durch dunkle Marmorplatten.
Ende 12. Jahrhundert Bau einer romanischen Pfeilerbasilika mit nachträglichem Anbau einer westlichen Vorhalle
2. Hälfte 14. Jahrhundert Errichtung Westturm mit nach Norden verschobener Längsachse, Erweiterung der Chorapsis
Mitte 15. Jahrhundert Errichtung der spätgotischen, gewölbten Staffelkirche, südliche Pfeilerfundamente von der romanischen Basilika übernommen
um 1500 Beschädigung und Wiederherstellung des Turmes
1667 Beschädigung des Turmes durch Sturm, Beseitigung der bekrönenden Balustrade (1895 wiedererrichtet)
1699 Einsturz zweier Arkadenpfeiler im Südwesten (auf romanischen Fundamenten) mit samt Obergaden und anliegenden Gewölben
1701-1703 Wiederaufbau und Einwölbung der zerstörten Teile
1864-1866 Instandsetzung des Langhauses nach Plänen von Vincenz Statz
1869 Neugotische Hoch- und Seitenaltäre, neue Glasfenster
1895-1897 Umfassende Restaurierung des Westturms durch J. Kleesattel
1897-1898 Verlängerung beider Seitenschiffe nach Westen mit Einbau von Orgeltreppen, Reliefschmuck an beiden neuen westlichen Stirnseiten (von L. Piedboeuf), neue Sakristei im Südosten
1906 Neuer Kirchenfußboden mit figürlichen Mosaikbildern
1929 Bauliche Sicherung: Betonringanker am Obergaden, Chor, Turm; Erneuerung zweier Arkadenpfeiler im Südosten
1945 Brand (durch Fliegerbomben) des Dachstuhls und des Turmhelms, Einsturz aller Gewölbe des Mittelschiffes, des Chores, des nördlichen Seitenschiffes, des Turmgewölbes. Verlust eines Teiles der Ausstattung, Zerstörung der Sakristei im Südosten
1946-1947 Erneuerung der Dachstühle und der Gewölbe, Instandsetzung des Mauerwerks
1949 Einbau der neuen Orgel
1953-1955 Instandsetzung des Turmes, Erneuerung des Helmes
1962 Neuer Glockenstuhl
1982-1983 Ausbau der Orgel von 1949 und des Hochaltares, Absenkung des Fußbodens, Einbau einer Fußbodenheizung und Erneuerung des Fußbodenbelages (Mosaike in die Seitenschiffe),
Grabfunde im Bereich der fränkischen und romanischen Fundamente: 27 Bestattungen, davon sechs Priestergräber, ein Grab aus Zeit der fränkischen Saalkirche
1989 Restaurierung der Reliefs

Beschreibung
Spätestens gegen Ende des 15. Jahrhunderts erhielt die Kirche ihre endgültige Gestalt. Es entstand eine dreischiffige Hallenkirche mit erhöhtem Mittelschiff (Staffelkirche), querrechteckigem Chor und dreiseitig geschlossener Apsis.
Die Südarkaden stehen auf der Fundamentmauer der romanischen Arkadenreihe, das Mittel- und das nördliche Seitenschiff wurden nach Norden verbreitert, die Außenwand des südlichen Seitenschiffs hatte schon durch den Plan des 14. Jahrhunderts ihre endgültige Lage erhalten. Durch geschickte Ausnutzung des Vorhandenen entstand ein einheitlicher Bau, der allerdings in der Folgezeit durch eingreifende Instandsetzungen wieder beeinträchtigt wurde.
Der stattliche, den Formen nach spätgotische, 1895 durch Kleesattel restaurierte Westturm erhebt sich in drei Hauptgeschossen über einem niedrigen Erdgeschoss. Er besteht aus mit Tuff verkleidetem Backsteinmauerwerk über Basaltsockel. Seine vom heutigen Dachraum des Langhauses verdeckte Ostseite zeigt das ursprüngliche, von den späteren Beschädigungen und Instandsetzungen unberührte Backsteinmauerwerk mit drei Maßwerkblenden in Sandstein, die der Form nach ins 14. Jahrhundert gehören. Im fensterlosen Erdgeschoss das 1895 erneuerte Westportal. Das dreibahnige, 1895 an Stelle einer Blende eingesetzte Portalfenster nimmt die volle Höhe des unteren Hauptgeschosses ein und wird von zwei zweibahnigen Maßwerkblenden flankiert, die direkt auf dem unteren Horizontalgesims aufsitzen. In den oberen Geschossen und an den Turmseiten die gleiche Blendenarchitektur. Mit Ausnahme des vom Dachraum des Langhauses verdeckten Wandabschnittes wurde alles Maßwerk 1895 erneuert und das Obergeschoss, das bis dahin nur aus Backstein bestand, in Tuff verkleidet. An der Nordseite ist ein bis zu den Schalllöchern reichendes rechteckiges Treppentürmchen angefügt, um das die Horizontalgesimse verkröpft sind und das die Gliederung der letzten Achse nach Osten aufnimmt. Die Bekrönung mit Spitzbogenfries und durchbrochener Balustrade ist 1895 und nach 1953, der Spitzhelm um 1955 erneuert worden.
Vom Langhaus überdauerten das gesamte Mauerwerk einschließlich der zehn Arkadenpfeiler sowie das Gewölbe des südlichen Seitenschiffes den zweiten Weltkrieg. Der Dachstuhl, die Gewölbe des Mittel- und des nördlichen Seitenschiffes wie auch der größte Teil der neurotischen Ausstattung gingen 1945 verloren. 1947-49 wurden die fehlenden Gewölbe in Backstein mit Rippen aus Tuff, das Turmgewölbe in Tuff und die Dachstühle der drei Schiffe aus Stahl mit Pfannendeckung erneuert. Dabei wurde auch das schadhafte westliche Gewölbefeld des südlichen Seitenschiffes in Backstein wiederhergestellt.

Innen
Die neuen Mittelschiffgewölbe ruhen mit ihren Rippen auf erneuerten Wandkapitellen über vom Boden her aufsteigenden Diensten, die oberhalb der Arkadenkämpfer rechteckigen Wandvorlagen eingebunden sind. Die Pfeilersockel und die Kämpferprofile der Nordarkaden sind um die Dienste verkröpft, während die Kämpfer der Südarkaden von den Diensten durchbrochen werden. Im Chor liegen die Dienste vor Wandvorlagen mit gefassten Kanten: die beiden mittleren Chordienste werden knapp unterhalb der Fensterbänke von gotischen Kopfkonsolen unterfangen. Bis 1945 waren an Stelle der neuen Rippenkonsolen im Chor zum Teil mit Köpfen verzierte Blattkonsolen angebracht, die beim Wiederaufbau sorgfältig herausgelöst worden sind und, mittels Marmoraufsätzen, heute als Weihwasserbecken dienen.
Die wie die Mittelschiffgewölbe 1946 bis 1947 erneuerten Seitenschiffgewölbe ruhen mit ihren Rippen auf gotischen Blattkonsolen, 15. Jahrhundert. Alle Fenster der beiden Seitenschiffe erhielten 1865/66 in Trierer Sandstein erneuertes Maßwerk.
(siehe C.W. Clasen: Die Denkmäler des Rheinlandes. Viersen, Seite 14 f)
Die Apostelfiguren des ehemaligen Hochaltares von 1869 wurden in den Seitenschiffen auf Wandkonsolen aufgestellt.
St. Remigius kommt als ältester Kirche in Viersen besondere Bedeutung zu, denn die Funde aus fränkischer, romanischer und gotischer Zeit geben wichtige Hinweise auf die Entwicklung des Ortes und der Gemeinde. Ihre städtebauliche Bedeutung prägte über Jahrhunderte hinweg das Erscheinungsbild des Ortskerns, dessen geistliches Zentrum sie war.

Die Ausstattung mit wertvollen Kunstgegenständen aus unterschiedlichen Epochen trägt wie die verschiedenen Bauphasen zur Einzigartigkeit der Kirche bei.

Aus wissenschaftlichen, insbesondere architekturhistorischen, archäologischen, kunstgeschichtlichen und städtebaulichen Gründen liegen der Erhalt und die sinnvolle Nutzung der Kirche St. Remigius gemäß § 2 (1) DschG im öffentlichen Interesse.

Quellen
Akte St. Remigius, Bauordnung Stadt Viersen
Akte St. Remigius, Denkmalschutz Stadt Viersen

Literatur
Clasen, Carl-Wilhelm: Die Denkmäler des Rheinlandes. Viersen, Düsseldorf 1964, Seite11 ff
Frenken, Gerhard: Geschichte der Kirche und Pfarre zum hl. Remigius in Viersen, Mönchengladbach 1965
ders.: Festschrift zur Erinnerung an die feierliche Weihe der durch den zweiten Weltkrieg zerstörten und wieder aufgebauten Hauptpfarrkirche St. Remigius zu Viersen am 25.9.1949
Frielingsdorf: Viersen Dülken Süchteln, Düsseldorf 1930, Seite 8 ff.
Storch, Hans-Peter: Fränkische und romanische Befunde in der Kirche St. Remigius zu Viersen IN: Ausgrabungen im Rheinland
1981/82 (Rheinisches Landesmuseum Bonn Bonn, Köln )
Vogtland: Pfarrgemeinde St. Remigius zu Viersen IN: Der Kreis Gladbach. Ein Abschiedsgruß, Düsseldorf 1929, Seite 97ff.

Stand
Fachbereich 8.I Hochbau /Denkmalschutz
Stadt Viersen
15.09.1998

nach oben