Empfangsgebäude Bahnhof Helenabrunn

Listenart: Baudenkmal, öffentliche Denkmäler
Listen-Nummer334
Baujahr1915
eingetragen seit20.12.1993
Flur / Flurstück68/5
AnschriftNeuwerker Straße 400, Viersen - Viersen

Geschichte
Am 1. April 1835 fuhr die erste Eisenbahn auf dem europäischen Festland von Brüssel nach Mechelen. Dies war auf einem Streckenabschnitt der Eisenbahnlinie von Antwerpen nach Köln, die im Oktober 1843 vollendet wurde. Die Monopolstellung der Rheinischen Eisenbahn, die auf deutschem Gebiet diese Strecke befuhr, wurde durch die Aachen-Düsseldorfer Eisenbahn-Gesellschaft gebrochen. Am 21. August 1846 erhielt sie für die Strecke zwischen Aachen und Düsseldorf die Baukonzession durch den Preußischen Staat. Die Inbetriebnahme von Mönchengladbach nach Rheydt fand am 12. August 1852, von Rheydt über Baal und Lindern nach Herzogenrath am 12. November 1852 und von Mönchengladbach über Neuss nach Oberkassel und von Herzogenrath über Kohlscheid und Aachen-Templerbend nach Aachen Marschiertor Bahnhof am 17. Januar 1853 statt. Im Verbund mit der Aachen-Maastrichter Eisenbahn-Gesellschaft war die Aachen-Düsseldorfer ebenfalls grenzüberschreitend. Mönchengladbach hatte bereits am 15. Oktober 1851 einen Anschluss an Homberg über Viersen, Krefeld und Uerdingen durch die Ruhrort-Krefeld-Kreis Gladbacher Eisenbahn-Gesellschaft erhalten. In Homberg wurde ein Eisenbahntrajekt eingerichtet, mit dem es möglich wurde, die in Mönchengladbach hergestellten Waren auf die andere Rheinseite zu transportieren.

Die Konkurrenz der Privatbahngesellschaften im Rheinland führte durch Konzentration zu drei großen Gesellschaften, der Rheinischen-, der Köln-Mindener und der Bergisch-Märkischen Eisenbahn. Die Bergisch-Märkische übernahm per Vertrag am 1. Januar 1866 die Aachen-Düsseldorfer- und die Ruhrort-Krefeld-Kreis Gladbacher Eisenbahn-Gesellschaft. Im Kampf um Transportvolumen versuchten alle Gesellschaften in die Domänen der Anderen einzudringen. So plante die Rheinische Eisenbahn die Verbindung Aachens mit Düsseldorf in Konkurrenz zur Bergisch-Märkischen Eisenbahn von Düren aus. Am 1. September 1869 nahm sie die Strecke von Düren über Elsdorf, Bedburg (Erft) und Grevenbroich nach Neuss in Betrieb. Im Gegenzug eröffnete die Bergisch-Märkische Eisenbahn am 1. Februar 1870 den Abschnitt Mönchengladbach über Mülfort nach Odenkirchen und am 1. Oktober 1873 den Rest der Strecke von Mönchengladbach über Odenkirchen, Hochneukirch, Ameln und Jülich nach Eschweiler Aue. Hier erreichte sie eines der damals bedeutendsten deutschen Eisenverarbeitungsgebiete, das bis dahin nur von der Rheinischen Eisenbahn bedient wurde. Nun versuchte die Rheinische Eisenbahn auch Mönchengladbach zu erreichen. Sie erhielt am 20. November 1871 die Konzession für die Strecken von Neuss über Neersen und von Krefeld über Neersen nach Mönchengladbach am Speik, die sie am 15. November 1877 in Betrieb nahm.

Als am 1. Februar 1880 die Köln-Mindener, 1. Januar 1982 die Bergisch-Märkische und am 1. Januar 1886 die Rheinische Eisenbahn verstaatlicht waren, mußten die teilweise parallel errichteten Strecken konsolidiert werden. Dafür wurden am 1. Mai 1909 die Strecke Neersen-Neuwerk-Blockstelle Eicken-Rheydt, Neuwerk-Mönchengladbach Hbf und die Verbindung der Strecken Mönchengladbach-Krefeld und Neersen-Rheydt bei der Blockstelle Eicken hergestellt. Die Königlich Preußische Staatseisenbahnen begann dabei nach dem Vorbild des Bahnhofs von Hannover durch das Aufschütten von Böschungen die Niveaus der verschiedenen Verkehrsarten zu trennen. Mit dem Anheben der Gleise wurde es möglich, dass durch einen Tunnel der Bahnsteig gefahrlos erreicht werden konnte. Die neuen Bedingungen erforderten eine ganz eigene Art des Empfangsgebäudes.

Beschreibung
Im Juli 1915 beantragte die Königliche Eisenbahn Direktion Köln den Neubau eines Empfangsgebäudes in Helenabrunn. Es entstand ein sehr expressiver Backsteinbau in äußerst schlichten Formen. Das Empfangsgebäude von Helenabrunn gehört damit zu einer Reihe von Eisenbahnbauten, die bereits sehr früh den Historismus überwunden hatten. Das eingeschossige Gebäude ist von einem sehr hohen Mansarddach mit Krüppelwalmen überdeckt, wie sie bis in die späten Dreißiger Jahre noch modern blieben. Konsequent wurde die Fassade "von Innen nach Außen gebaut". Der giebelständige und risalitartig vorgezogene Hauptbaukörper enthält die Schalterhalle mit Sperre und Schaltern und der links anschließende traufständige Flügel die Wartesäle im Erdgeschoss. Im Oberschoss befanden sich die Wohnungen des Bahnhofswirts bzw. des Bahnhofsvorstehers mit von außen getrennt zugänglichen Treppenhäusern. Obwohl wie damals üblich, noch ein separates Aborthäuschen für die Fahrgäste errichtet wurde, besaßen die Wohnungen bereits eigene Abortanlagen. Während im Erdgeschoss die hochrechteckigen Fenster mit Oberlicht dreimal durch Sprossen weiter unterteilt worden waren, erhielten die Fenster in den Gauben und im Giebel nur eine weitere Teilung durch Sprossen. Die Erdgeschossfenster erhielten dadurch das in der Bauzeit typische Scheibenformat von 2:3 und die Oberschossfenster annähernd quadratische Scheiben.

Den polygonale Vorbau prägte ein auskragendes flaches Walmdach. Die zweiflügelige verglaste Eingangstür und je ein Seitenfenster belichteten die Schalterhalle. An den Verbindungsbau mit dem Übergang von der Halle zum Bahnsteigtunnel lehnte sich der Eilgut- und Gepäckraum an. Der Zugang von der Straßenrampe zum Expressgutabfertigung erfolgte durch eine Tür, die die des Haupteinganges zitiert.

Die strengen schlichten Formen der Bauten nach dem Historismus erzielen ihre Wirkung durch ihre Detailierung, die die bewusst geplante Spannung zwischen Wandfläche und Öffnungen besonders stark beeinflussen.

Durch seine typische Gestaltung aber auch durch den guten Erhaltungszustand, liefert das Objekt ein anschauliches Bild des Empfangsgebäudebaus der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Damit ist es bedeutend für die Geschichte Viersens und seiner Bewohner, sowie für deren Lebensverhältnisse. Der unverfälschte Bestand und die eindeutig zuzuordnende Ausführung von Fassade und Details bis ins Innere legt Zeugnis ab von der Baukultur des ausgehenden Kaiserreichs und liefert so die künstlerischen und wissenschaftlichen, besonders architekturgeschichtlichen Gründe für ein öffentliches Interesse an der Erhaltung und Nutzung nach § 2 DSchG NW. Als Bahnhofsgebäude liegen darüber hinaus städtebauliche Gründe für ein öffentliches Interesse an diesem Objekt vor.

Im Auftrag 
(Dr. Meyer)
05. Juli 1993

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