Evangelische Kirche Süchteln

Listenart: Baudenkmal, religiöse Denkmäler
Listen-Nummer233
Baujahr1669
eingetragen seit30.08.1990
Flur / Flurstück86/34, 35
AnschriftHindenburgstraße 5, Viersen - Süchteln

Geschichte
1565-1567 Der Benediktiner Mönch und Kaplan Petrus von Titz predigt nach reformatorischem Verständnis in der katholischen Pfarrkirche in Süchteln. Nach seinem Weggang finden nur noch heimliche Predigten statt.
1608 Unter der Herrschaft des Kurfürsten von Brandenburg und Pfalz-Neuburg wird der Unterhalt eines eigenen Friedhofes und einer eigenen Schule gestattet. Das Herrscherhaus tritt für Glaubens- und Gewissensfreiheit ein.
August-September 1609 Im Haus Gehl to Holthausen (Gielen zu Holtissen, Hochstraße 47) finden evangelische Gottesdienste mit einem eigenen Pfarrer statt.
1609 gilt als Gründungsjahr der evangelischen Gemeinde in Süchteln.
1611/1612 Im Haus Hermann Jentges (Propsteistraße1) finden evangelische Gottesdienste mit Pfarrer D. Hendricus Fabritius statt.
1613 zählt die evangelische Gemeinde 500 Mitglieder.
1614 Herzog Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg tritt zum katholischen Glauben über. Die Gegenreformation wird eingeleitet.
1624 Im Haus Harenscheifgut (Propsteistraße 9) finden evangelische Gottesdienste statt.
1625-1648 Es sind nur noch versteckte Gottesdienste möglich.
1644 Die evangelische Kirche erwirbt ein Grundstück.
1654 Die evangelische Kirche erwirbt durch Johan Steinrats ein weiteres Grundstück.
1655-1663 Es finden Kollektenreisen in die Niederlande und in die Grafschaft Moers statt, um den Bau eines Predigthauses (Kirche) finanzieren zu können.
20.05.1669 Die Grundsteinlegung für das Predigthaus erfolgt. Die Kirche wird mit davor liegendem Pfarr- und Schulhaus errichtet.
01.09.1669 Pfarrer D. Petrus von Falbruck predigt zum erstenmal in der Kirche, die noch keine Inneneinrichtung aufweist.
1681-1722 Der Ausbau und die Ausgestaltung der Kirche erfolgt in der Zeit des Pfarrers Friedrich Hölterhoff. Die Kirche erhält einen Turm mit zwei Glocken und eine Orgelempore.
Mitte 18. Jahrhundert Dem Turm wird ein Hahn als Wetterfahne aufgesetzt.
1869 Das Pfarrhaus wird abgerissen.
1931 Eine neue Orgel wird eingeweiht.
1932 Der Turm wird erneuert.
16.01.1938 -17.05.1938 Der Innenraum wird renoviert. Die Kirche erhält neue Bänke, neue Kronleuchter und eine neue Wandbeleuchtung.
1958 Die Orgel wird erneuert.
1967/68 Der Innenraum wird nach Freilegung des Originalbefundes farbig ausgestaltet. Der Abendmahltisch, die Wandbeleuchtung und die Kirchenfenster werden erneuert. Bruchstücke der Wappen werden von 7 auf 5 Fenster verteilt. Eine Sakristei wird angebaut.

Beschreibung
Der querrechteckige, geschlämmte Backsteinsaal misst 12,55 m in der Länge und 8,70 m in der Breite. Über den zwei rundbogigen Eingangstüren befinden sich zwei Steintafeln mit folgenden Inschriften:

Über der rechten Eingangstür:
"DEI SOLIÜS GLORIAE ET HUIS ECCLESIAE
REFORMATAE USUI SACRO EXSTRUCTA EST
AEDES HAECANNO 1669 PET. V. FALBRUCK
EIUSDEM PASTORE, IOH. DOHR, THEOD. GRAVER,
IOH. STEINRATSET ADAMO TILEN SENIORIBUS"
(Zu Gottes alleiniger Ehre und dieser reformierten Gemeinde gottesdienstlichem Gebrauch ist dieses Haus erbaut im Jahre 1669 unter Pastor v. Falbruck und dem ältesten Joh. Dohr, Theod. Graver, Joh. Steinrats und Adam Tilen)

Über der linken Eingangstür:
"HERR GOTT LAS DENE AVGEN OFFENSTHN VBER
DIS HAVS NACHT VND TAG" (l. Reg. 8,29 (l. Kon. 8,29))
"KOMPT LAST VNS AVF DEN BERG DES HERREN
GEHEN ZVM HAVSE DES GOTTES JAKOB."
(ESA. 2, V.3 (Jes. 2,3))

Die Eingangsseite gliedern ferner drei Rundbogenfenster. Die rückwärtige Breitseite weist drei Rundbogenfenster und die westliche Schmalseite zwei Fenster auf. Die Reste von gemalten Scheiben, meist Wappen, sind in die neue Verglasung des Glasmalers P. Weigmann 1965/68 eingefügt.

Das linke Fenster der Rückfront zeigt das Wappen des großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, das rechte Fenster das Wappen von Pfalz-Neuburg. Die restlichen Wappenfragmente sind vermutlich Spenderfamilien zuzuordnen.

Das geschieferte Walmdach besitzt ein hohes, sechsseitiges Türmchen, das eine mehrfach geschwungene Haube trägt. Die Wetterfahne stellt einen Hahn dar. Der Turm beherbergt zwei Glocken aus Bronze:
Glocke I: Durchmesser 54,5 cm, Gewicht; 90 kg, Ton e, 1505
Glocke II; Durchmesser 61,1 cm, Gewicht; 130 kg, Ton dis, 1773

Seitlich der Kirche ist eine Grabplatte aus Muschelkalk, Höhe: 2,01 m. Breite: 1,00 m eingemauert. Zwischen zwei gerahmten Inschriftenfeldern oben und unten befindet sich ein Medaillon mit Doppelwappen. Von den Inschriftenfeldern ist nur das jeweils linke für eine Inschrift in Fraktur genutzt, die an die Ehefrau des ersten Pfarrers der evangelischen Gemeinde D. Petrus von Falbruck erinnert:

"DIE WOLLGEBORNE CATHARINA MECHTELDIT VON FALBRUCK GEBORNE DROSTE ZUM STEEGEN STARB DEN 4 MERTZ 1678"
und
"ICH HABE LUST ABZUSCHEYDEN UND BEY CHRISTO ZU SEYN." (Phil. l. Vers 23)
Ferner steht unterhalb des Wappens folgendes:
"CHARISSIMAE CONIVGI POSVIT RET.V. FALBRUCK.
PHILIP. l. V. 21."

Das Innere der Kirche ist längs orientiert: an der westlichen Schmalseite steht: die Kanzel, an der östlichen ist die Orgelempore eingezogen. Die farbige hölzerne Flachdecke spannt über mächtige hölzerne Träger. Die Orgelempore ruht auf zwei hölzernen Rundpfeilern und überfängt einen eingestellten Nebenraum. Die Brüstung besteht aus schmalen Balustern.

Bei der letzten Instandsetzung wird die ursprüngliche Fassung freigelegt und ergänzt: Die Säulen umwindet ein schwarz-weiß-rotes Band. An der Vorderseite steht der Spruch Micha G, Vers 8 als Mahnung an den Prediger:

"ES IST DIR GESAGT MENSCH WAS GUT IST UND WAS DER HERR VON DIR FORDERT, NEMLICH GOTTES WORT HALTEN UND LIEBE ÜBEN UND DEMÜTIG SEIN FÜR DEINEM GOTT !"

Die Kanzel aus Holz mit Schalldeckel aus dem 17. Jahrhundert ist in den Farben schwarzbraun, blau und ein wenig ziegelrot nach Befund restauriert. Gedrehte Säulen schmücken die sechs Polygonecken des Kanzelkorbes. Die Füllungen zieren Vasen mit Blüten. Seitlich der Südwand ist Knorpelwerk mit Engelsköpfen dargestellt. Auf der Unterseite des Schalldeckels befindet sich ein Stern mit mittlerer Rose.

Bei der evangelischen Kirche in Süchteln handelt es sich um einen frühen reformierten Kirchenbau des Jülicher Landes als typische Hofkirchenanlage: hinter dem an der Straße gelegenen Pfarrhaus und den rechts- und linksseitigen Schul- und Wirtschaftsräumen erreicht man ursprünglich, durch einen Tordurchgang über einen Innenhof gehend, das Predigthaus. Um bei der katholischen Bevölkerung möglichst wenig Anstoß zu erregen, ist die Dimension nicht größer als das Pfarrhaus. Auch fehlt ein Glockenturm. Die in den Verfolgungszeiten gemachten Erfahrungen spiegeln sich in der äußeren Bauform des reformierten Predigthauses wider: Das feste Haus wird mit bodenständigen Feldbrandsteinen, dickwandiger und massiver als statisch notwendig, errichtet und bekommt so Schutzcharakter. Ein Fluchtweg innerhalb der Kirchenmauer sichert bei Gefahr den rückwärtigen Ausgang außerhalb der Stadtmauer. Die Fenster sind relativ klein und relativ hoch angebracht, um keinen direkten Einblick zu gestatten und einen unerlaubten Einstieg zu erschweren. Die Türöffnungen sind niedrig. Die Türen sind aus kräftigen Eichenbohlen mit dickköpfigen Eisennägeln und schweren geschmiedeten Schlössern und Verriegelungen.

Der Innenraum ist so gestaltet, dass jedes Gemeindemitglied optisch und akustisch an der gottesdienstlichen Handlung möglichst günstig teilnehmen kann. Der Predigtstuhl ist die zentrale Stätte der reformierten Amtshandlung. Nichts im Innenraum darf von der Predigt ablenken.

Bis auf den Abriss des Pfarrhauses ist die räumliche Situation der evangelischen Kirche in Süchteln seit dem 17. Jahrhundert unverändert. Sie ist trotz der ihr eigenen Schlichtheit ein eindrucksvolles Zeugnis niederrheinisch reformierter Kulturgeschichte.

Aus wissenschaftlichen, insbesondere kulturgeschichtlichen, religionsgeschichtlichen, ortsgeschichtlichen und architekturgeschichtlichen Gründen liegen Erhaltung und Nutzung der Kirche mit ihren historischen Ausstattungsstücken gemäß § 2 (1) des Denkmalschutzgesetzes im öffentlichen Interesse.

Literatur
Brües, Eva: "Die Denkmäler der ehemaligen Stadt Süchteln Teil l; Die sakralen Denkmäler" in: Oberkreisdirektor Viersen (Hrsg.) "Heimatbuch des Kreises Viersen 1978", 29. Folge, Seite 172 - 205
Krumme, Ekkehard: "Alte evangelische Kirchen im "Jülicher Land"", Winningen/Mosel 1986
Festschrift zum dreihundertjährigen Kirchen-Jubiläum 1669-1969 der evangelischen Kirchengemeinde Süchteln, 2. November 1969

Quellen
Akte Hindenburgstraße 5
Sta. 63 Bauordnungsamt der Stadt Viersen
Akte Hindenburgstraße 5
Sta. 65 Hochbauamt der Stadt Viersen

Stand
Hochbauamt der Stadt Viersen
September 1989

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