Wohn- und Gasthaus Gereonsplatz 27

Listenart: Baudenkmal, städtische Denkmäler
Listen-Nummer045
eingetragen seit26.06.1985
Flur / Flurstück96/164
AnschriftGereonsplatz 27, Viersen - Viersen

Gereonsplatz 27

Das vermutlich Anfang des 19. Jahrhunderts errichtete Wohn- und Gasthaus ist ein Eckgebäude zum Gereonsplatz bzw. zur Gladbacher Straße. Das Gebäude ist ursprünglich in sieben zu fünf Achsen erbaut worden, wie an den Fenstern im Obergeschoss ablesbar. Jedoch erfuhr es 1888 eine Veränderung in der Fas-sade. Hier wurde ein Schaufenster für einen Laden eingebaut. Eine weitere Maßnahme war 1898 der Umbau des Dachgeschosses, dabei wurde das frühere Satteldach von einem Mansarddach überbaut und zur Belichtung des Speichers Dachhäuschen errichtet.

Bereits vor 1879 wurde in dem Haus eine Schenkwirtschaft und die Erlaubnis zur Schlachtung für den Restaurantbetrieb erteilt. Bis zu Beginn des 19. Jahr-hunderts gab es keine besonderen Genehmigungen. Erst ein Gewerbepolizei-edikt vom 07.09.1811 erhält das Verbot, dass "kein Gewerbe, zu dessen Betrieb eine besondere Qualifikation erfordert wird, vor erhaltener polizeilicher Er-laubnis nicht angefangen werden sollte." Und 1832 soll die polizeiliche Er-laubnis nicht versagt werden, sofern - bei der gesetzlich bestehenden unbe-dingten Gewerbefreiheit - "gegen die Rechtlichkeit des Nachsuchenden kein gegründetes Bedenken abwaltet".

Andererseits mehren sich aber Einwände gegen eine unbeschränkte Vermeh-rung der Schenkwirtschaften mit den Folgen strafbarer Handlungen durch Trunksucht. Ein Wandel bringt die "allerhöchste Kabinettsorder" vom 07.02.1835. Bei Neukonzessionen hatte man es in der Hand, die Erlaubnis we-gen "fehlenden Bedürfnisses" zu versagen, bei den schon bestehenden Wirt-schaften galt die alte Berechtigung weiter, es sei denn, der Inhaber starb oder wollte sein Lokal verlegen. Dann wurde oft genug die bestehende Erlaubnis nicht mehr verlängert.

Nun versuchten manche Inhaber, indem sie auch Zimmer zur Beherbergung bereitstellten, damit auch den Betrieb einer Schenkwirtschaft zu erreichen. So wuchs die Zahl der Gastwirtschaften von zwei (1840) bis auf 50 (1872). Das war für 20.000 Einwohner entschieden zuviel. Die Schlafzimmer mussten für die Gäste jederzeit bereit sein, sie waren in den seltensten Fällen belegt. Das führte dann zu mancherlei Klagen, wenn z.B. die Familie die Zimmer brauchte.

So erfuhr auch dieses Haus ehemals eine Nutzung als Hotel. Damit ist auch vermutlich, der Umbau des Daches verbunden.

Die Backsteinputzfassade wurde dem ehemals backsteinsichtigen Haus, ver-mutlich 1888 mit dem Einbau des Ladenfensters vorgeblendet. In einer für die Fassadengestaltung untypischen Ecklösung ist die Hausecke zur Straßenkreu-zung eckig der ursprünglich technologischen Bauauffassung entsprechend.

Erdgeschossig ist die Fassade in Bänderputz horizontal gehalten und erfährt durch umlaufendes Kranzgesims, Fensterbank- und Gurtgesims eine horizon-tale Gliederung. Das stark strukturierte Kranzgesims leitet zu dem aufgesetz-ten, in Schiefer gedeckten Mansarddach über. Die Hausecke ist im Oberge-schoss in Quaderputz ausgeführt. Das Obergeschoss ist in weißen Ziegeln vor-geblendet. Die Fenster, umrandet von profilierten Stuckgewänden, sind mit Schmuckformen der Neurenaissance, wie Fenstergiebel, profilierten, vorge-blendeten Fensterstürzen, sowie geschmückten Keilsteinen überdeckt.

Die Fassade zur Gladbacher Straße war der damaligen backsteinsichtigen Fas-sade entsprechend symmetrisch aufgebaut. Das Schaufenster des Ladens liegt auf der rechten Seite. Mittig ist die Tür angeordnet. Dem Mansarddach war über der Türe ursprünglich ein höheres Dachhaus mit Giebel aufgebaut. Die Fassade zum ehemaligen Neumarkt, jetzt Gereonplatz, lässt durch die jetzt noch sichtbare Symmetrie im Obergeschoss und Dachgeschoss ebenfalls auf eine frühere zentrale Gestaltung schließen. Die Eingangstüre auf der linken Seite wurde später eingebaut.

Im Inneren des Gebäudes ist der Konstruktion des ehemaligen Satteldachs die des Mansarddachs aufgesetzt. Das Gebäude ist von zwei Gewölbekellern unter-fangen. Im ersten Obergeschoss zeugt ein sichtbar gehaltenes Fachwerk von der ursprünglichen tragenden Holzkonstruktion.

Die exponierte Lage des Hauses im Ortskern von Viersen, das als Eckhaus mit nebenliegendem Gebäude die Hauptstraße in Gladbacher Straße und Gere-onsplatz einleitet, lässt es zum unmittelbaren Blickpunkt werden. Weiterhin ist es raumbildend am Gereonplatz beteiligt.

Darüber hinaus ist das Gebäude beispielhaft für die bürgerliche Baugesinnung der aufstrebenden Stadt Viersen Ende des letzten Jahrhunderts. Die zeittypisch aufwendige vorgeblendete Fassaden- und Dachgestaltung aus dem letzten Jahr-hundert lässt in Form und Ausdruck das wohl um 1800 entstandene Gebäude erkennen.

Aus wissenschaftlichen, insbesondere städtebaulichen, raumgestaltenden, stadtgeschichtlichen und wirtschaftsgeschichtlichen Gründen ist die Erhaltung und Nutzung des Gebäudes gemäß § 2 (1) des Denkmalschutzgesetzes im öf-fentlichen Interesse.

Quellen: Akte Gereonsplatz 27
Stadtamt 65, Hochbauamt der Stadt Viersen
Akte Gereonsplatz 27
Stadtamt 63, Bauordnungsamt der Stadt Viersen

Akte Nr. 210, 1876-1885, Bl. 19-27,
Stadtarchiv Viersen
Akte Nr. 4, Fotos Gereonsplatz (Abb.)
Stadtarchiv Viersen

Literatur: Zart, Theo: „Gast- und Schenkwirtschaften" in „Vier-sen zu Beginn unseres Jahrhunderts" aus: „Viersen, Beiträge zu einer Stadt", Band 1, Herausgeber: Verein für Heimatpflege e.V., Viersen 1982

Stand: Hochbauamt der Stadt Viersen
29. Juli 1985

(Lemm)

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