Konzept zur Vergabe von freiwilligen Zuschüssen an zivilgesellschaftliche Akteure in der Fassung vom 15.09.2020

Präambel

Die Gestaltung des Viersener Gemeinwesens gelingt nur mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von zivilgesellschaftlichen Akteuren (Organisationen) und Stadtverwaltung. Das vorliegende Konzept entstand auf Grundlage eines persönlichen Austauschs zwischen einer Vertretung des FB 40 und befragten Institutionen, deren Eigenverantwortlichkeit und Identität wesentlich für ihr Engagement sind. Das Förderkonzept achtet die Vielfalt und bemüht sich um das Austarieren von Tradition, Originalität und Gleichheit. Oberstes Gebot war, keine bislang geförderte Organisation in ihrer Existenz zu gefährden und somit alle Angebote für Viersener Einwohnerinnen und Einwohner zu bewahren. Dazu gehörte ein Ausgleich von ehrenamtlichen und professionellen Organisationen. Die Festlegung von Förderhöhen einzelner Kriterien gründete sich auf dem Dialog mit den Akteuren und folgte im Zweifel wohlwollendem Augenmaß statt statistischer Detailliebe. So können Leistungen gewürdigt und gleichzeitig Anreize für zukünftige Entwicklungen geschaffen werden.

1. Ziele

Das seit Jahrzehnten lediglich punktuell ergänzte und modifizierte Zuschusswesen der Stadt führte zu einer intransparenten und statischen Praxis. Das vorliegende Förderkonzept beinhaltet mehrere Aspekte:,

 

  • Mittelvergabe an nachvollziehbare Kriterien binden
  • Langfristige Planungssicherheit geben
  • Zusammenarbeit, Austausch und gegenseitige Unterstützung anerkennen
  • Bürgerliches Engagement außerhalb bestehender Strukturen fördern
  • Bedarfe von hauptamtlichen und ehrenamtlichen Organisationen differenzieren
  • Organisationen in ihrer eigenen Entwicklung unterstütze
  • Projektmittelakquise ermöglichen
  • Impulse setzen (gemäß Quartiersansatz nach dem Sozialbericht 2012 und zur Ehrenamtsförderung)

2. Entwicklungsprozess

Das dargestellte Konzept ist ein entscheidender erster Schritt zur erforderlichen Transparenz, um die Verteilung der Haushaltsmittel unter Gerechtigkeitsaspekten diskutieren zu können. Die bezuschussten Organisationen verpflichten sich, an der konzeptionellen Weiterentwicklung mitzuwirken. Eine Mittelbewilligung kann an Auflagen einer "guten Praxis" gebunden sein. Nach fünf Jahren werden die Förderkriterien sowie die vertraglichen Vereinbarungen mit den Akteuren evaluiert und ggfs. entsprechend modifiziert.

Zur Aufnahme weiterer Träger, die bislang keine Mittel erhielten, deren Aktivitäten jedoch förderwürdig sind, wird ein finanzielles Polster festgelegt. Neue Akteure können bis zum 30.06.2021 Zuwendungen beantragen. Je nach Anzahl der Anfragen kann die Mittelbewilligung für die nächsten fünf Jahre unterhalb der Regelförderung liegen. Umgekehrt stehen nicht abgerufene Mittel anderen Akteuren zur Verfügung. Entsprechende Anpassungen der Förderhöhen werden aus Gründen der Planungssicherheit für die bereits bezuschussten Institutionen erst anschließend umgesetzt.So haben alle Akteure Zeit, sich auf eine veränderte Mittelzuweisung einzustellen.

3. Förderarten

Die Förderung differenziert sich nach vornehmlich hauptamtlich organisierten und vornehmlich ehrenamtlichen Akteuren:

3.1 Strukturelle Förderung
Die in Punkt 5 (s.u.) definierten Organisationen erhalten eine gestaffelte, über fünf Jahre festgelegte Förderung mit der Option, sich zusätzlich auf flexible Mittel zu bewerben.

3.2 Flexible Förderung
Die über einen zu bestimmenden Zeitraum zu vergebenen Mittel richten sich vornehmlich an professionelle Akteure, die in der Regel höhere Beträge z.B. zur Eigenanteilsleistung bei der Projektmittelakquise, zur Erweiterung oder zur Profilschärfung ihrer Angebote benötigen.

4. Förderberechtigung

Auf Grundlage der vorhandenen Mittel wird die Förderwürdigkeit von Organisationen und Aktivitäten an folgende Bedingungen geknüpft:

4.1 Die Aktivitäten finden für Viersener Einwohnerinnen und Einwohner im Stadtgebiet statt.

4.2 Die Akteure fallen nicht in die Zuständigkeit anderer Fachbereiche der Stadt. Sie erhalten keine Förderung anderer Fachbereiche oder des örtlichen Sozialhilfeträgers (Kreis Viersen), da Doppelförderungen ausgeschlossen sind.

4.3 Sie erhalten keine Regelfinanzierung des Landes NRW, des Bundes oderaus den Sozialkassen und sind auch nicht an dergestalt finanzierten Akteuren beteiligt.

4.4 Die Bedingungen 4.2 und 4.3 gelten nicht für die flexible Förderung unter Punkt 8, wobei Projekten und Aktivitäten in Kooperation mit strukturell geförderten Organisationen Vorrang gewährt werden soll.

5. Organisationen der strukturellen Förderung

Aufgrund der Organisationsvielfalt werden vier Kategorien mit unterschiedlich gewichteten Kriterien gebildet:

Kategorie 1: Begegnungsstätten
Definition: Organisationen, deren Aktivitäten auf eigene, prinzipiell allen Einwohnerinnen und Einwohnern zugängliche Räumlichkeiten fokussiert sind. Sowohl der Träger als auch seine Angebote müssen ehrenamtlich organisiert (Beschäftigte zur Durchführung von einzelnen Angeboten und zur Nutzbarkeit der Räume sind ausgenommen) und nicht maßgeblich durch dritte Organisationen finanziert sein.

Kategorie 2: Kirchengemeinden (eigene Kategorie)
Voraussetzungen: Die Gemeinden müssen eigene Begegnungsangebote für Ältere unterhalten und Räume für ehrenamtliche und nachbarschaftliche Aktivitäten im Rahmen ihrer Möglichkeiten kostenlos zur Verfügung stellen.

Kategorie 3: Beratungs- und Hilfseinrichtungen
Definition: Organisationen, in denen die Arbeit ehrenamtlich geleistet wird und deren Angebote vornehmlich in speziellen Beratungsleistungen und/oder unmittelbaren Hilfen für einzelne Menschen in Notlagen bestehen.

Kategorie 4: Sonderkategorie
Definition: Organisationen, die keiner der anderen Kategorien angehören, deren Aktivitäten ausschließlich ehrenamtlich geleistet werden (keine Aufwandsentschädigungen - keine Beschäftigtenausnahmen) und Förderkriterien erfüllen.

6. Dokumentation

Um eine zusätzliche und meist unerquickliche Arbeitsbelastung der Engagierten zu vermeiden, orientieren sich Dokumentationspflichten am Rahmen der ohnehin vorliegenden. Nachweise (u.a. Vereinsverwaltung, Nutzungsabsprachen für Räumlichkeiten, Materialien der Öffentlichkeitsarbeit). Darüber hinausgehende Datenerhebungen (z.B. ehrenamtliches Engagement) sollen die Ausnahme bleiben. Die jeweils erforderlichen Daten werden unter Punkt 7 aufgeführt.

7. Kriterien

Grundsätze der strukturellen Förderung

Förderwürdig sind Organisationen, deren Aktivitäten sich unmittelbar auf den Menschen beziehen (z.B. Begegnungsangebote, Informations-/Beratungsangebote, Versorgungs- und Hilfsleistungen). Abstrakte Ziele (z.B. Demokratie, gesellschaftliche Teilhabe, Inklusion) sind keine messbaren Kriterien, die zur Bewertung eines Zuschusses herangezogen werden können. Voraussetzung ist, dass die Aktivitäten für Menschen zugänglich sein müssen, die nicht in Verbindung zur anbietenden Organisation stehen. Interne Veranstaltungen jedweder Art bleiben bei der Bemessung der Förderhöhe unberücksichtigt (ehrenamtliche Vorstandsarbeit, die die Existenz der Organisationen ermöglicht, wird hingegen zum Engagement gezählt). Außerdem müssen die Akteure ihre Bereitschaft zum Austausch und zur Kooperation mit anderen Akteuren erklären. Eine regelmäßige Teilnahme an entsprechenden Treffen dokumentiert die Absicht. Werden die Institutionskategorien unterschiedlich betrachtet, gelten innerhalb der Kategorien die gleichen Kriterien. Für die Organisationen der Kategorie 3 soll ein Ausgleich zwischen Gleichbehandlung und wertschätzender Honorierung ihrer speziellen Leistungen gesucht werden.

Kategorie 1: Begegnungsstätten (im Folgenden BS)

Da die Stadt keine eigenen Begegnungsstätten unterhält, ist die Unterstützung der bestehenden Einrichtungen elementar. Die Förderung soll Anreize schaffen, mit anderen Akteuren zu kooperieren, neue Angebote zu entwickeln und weitere Nutzergruppen zu gewinnen. Neben den Gesprächen mit Vertretern der Träger stützen sich die Kriterien für Begegnungsstätten auf das Konzept einer Musteranlaufstelle. Es wurde mit Vertreterinnen und Vertretern von Anlaufstellen bei Arbeitstreffen im Rahmen des "Runden Tischs gegen Einsamkeit" entwickelt.

1.1 Offenheit / Sichtbarkeit

Mit den Schlagworten „Tür auf - Licht an" wurde die Bedeutung hervorgehoben, dass Begegnungsorte eine niedrigschwellig Zugangsmöglichkeit auch dadurch kommunizieren, wenn die Räume für Passanten sichtbar genutzt werden. Mehr offene alsgeschlossene Werktage (mind. 3 Tage) erfüllen ein Kriterium. Präsenzzeiten zur Beratung und zur Vermittlung von Hilfen - wie in professionell agierenden Quartierbüros (z.B. DülkenBüro) - werden zusätzlich honoriert. Zur Offenheit der Angebote gehört ihre Bewerbung, die sowohl Passanten als auch nicht in Verbindung mit der Organisation stehende Menschen erreicht. Ein niedrigschwelliger Zugang erfordert, jedem Angebot eine Ansprechpartnerin bzw.einen Ansprechpartner mit Telefonnummer zuzuordnen (oder zentrale Telefonnummern, wie Sekretariate/Pfarrbüro).Dies kann eine vertragliche Auflage sein.BS, die über Printmedien alle Haushalte eines Stadtteils oder -viertels erreichen,erhalten einen Druckkostenzuschuss.Die Dokumentation erfolgt über die Einsicht ins Programm und über Exemplare des Printmediums.

1.2 Bürgerschaftliches Engagement

Engagementleistungen von mehr als 200 Stunden im Monat sind ein Kriterium. Ebenso, wenn eine Struktur besteht (Rückgratorganisation), die in der Lage ist, viele weitere Einwohnerinnen und Einwohner, die nicht zur Organisation gehören, für projektbezogenes Engagement einzubinden. Eine Übersicht zu den ehrenamtlichen Leistungen ist von den Organisationen zu führen sowie beispielhaft nachzuweisen, wie die Einbindung projektbezogenen Engagements stattfindet.

1.3 Freie Räume

Wenn die eigenen zu unterhaltenen Räumlichkeiten anderen gemeinnützigen Organisationen (Keine Angebote, die durch Dritte finanziert werden) oder Personen, die sich ehrenamtlich oder nachbarschaftlich für andere engagieren (keine privaten Veranstaltungen), kostenlos zu Verfügung gestellt werden, erhalten BS eine Kostenpauschale, die sie für die hierzu erforderlichen Aufwendungen (Planung, Reinigung, Nebenkosten) entschädigt. Das Kriterium unterscheidet nach der Größe der Räumlichkeiten. Eine Raumnutzung durch externe Personen oder Akteure wird ohnehin schriftlich fixiert.

1.4 Projektentwicklung

Die Beiträge zur Entwicklung und Umsetzung von Projekten, an denen mehrere Akteure beteiligt sind, werden insofern anerkannt, wenn die BS der Standort zur Projektdurchführung ist. Dies bedarf keiner weiteren Dokumentation.

1.5 Versorgungsleistungen

Außer Haus, gemeinsam mit anderen essen zu können, wurde im Konzept einer Musteranlaufstelle als wesentlicher Aspekt gesellschaftlicher Teilhabe erachtet. Der Zuschuss richtet sich nach der Häufigkeit des Angebots. Es geht hierbei ausschließlich um warme Hauptgerichte (kein Frühstück, keine Schnittchen). Ein Programmnachweis ist ausreichend. Kategorie 2: Kirchengemeinden (im Folgenden KG). Die mitgliederstärksten Organisationen der Stadtgesellschaft sind Schnittstellenakteure, die u.a. in engem Kontakt zu vielen Akteuren im Spektrum des Vereinswesens und der Brauchtumspflege stehen. Zudem unterhalten insbesondere die katholischen Gemeinden die z.T. letzten Anlaufstellen im unmittelbaren Lebensumfeld vieler Einwohnerinnen und Einwohner. Gemeindearbeit basiert in entscheidendem Maß auf dem Engagement der Mitglieder, weshalb KGs zu den strukturell geförderten Organisationen zählen.

Kategorie 2: Kirchengemeinden (im Folgenden KG)

2.1 Freie Räume

Die KGs stellen bereits zahlreichen Gruppen und gemeinnützigen Organisationen ihre Räumlichkeiten zur Verfügung. Diese Unterstützung von ehrenamtlichem und nachbarschaftlichem Engagement wird anerkannt und gefördert. Es gelten dieselben Regeln wie bei den BS mit der zusätzlichen Ausnahme von größeren Veranstaltungen in Festsälen. Das Kriterium setzt zum einen die bisherigen Angebote in Stunden und zum anderen die Anzahl der Standorte miteinander in Beziehung.

2.2 Netzwerkarbeit und Projektentwicklung

Die regelmäßige Teilnahme sowie die Entwicklung und Umsetzung von Projekten entspricht den Regelungen der BS.

2.3 Öffentlichkeitsarbeit

Pfarr- und Gemeindebriefe erreichen einen großen Teil der Bevölkerung. Sofern auch über Gemeinschaftsangebote von Gemeinde und anderen Akteuren in den Printmedien berichtet würde, wird ein nach Mitgliederzahl unterschiedener Druckkostenzuschuss gewährt.

Kategorie 3: Beratungs- und Hilfseinrichtungen

Die Spezifika der Akteure bringen es mit sich, dass zumeist nur wenige der Kriterien erfüllt werden, die den anderen Kategorien entsprechen. Daher erhalten alle förderberechtigten Organisationen eine Grundfinanzierung. Um der Organisationsvielfalt innerhalb der Kategorie gerecht zu werden, sind einzelne Sondervereinbarungen erforderlich.

3.1 Bürgerschaftliches Engagement

Aufgrund des erheblichen Leistungsspektrums in dieser Kategorie wird das Engagementgestaffelt honoriert. Die Eingruppierung gliedert sich ab 200 Stunden, ab 500 Stunden und ab 1000 Stunden im Monat. Eine Rückgratorganisation zählt zur ersten Gruppe.

3.2 Qualifizierung

Organisationen, die ein System zur Gewinnung und Qualifizierung von Freiwilligen entwickelt haben, erfüllen das Kriterium.

3.3 Projekte, Freie Räume, Versorgungsleistungen

Die Kriterien gelten entsprechend den anderen Kategorien.

3.4 Sondervereinbarungen

Es können Vereinbarungen über die Bezuschussung bestimmter Aktivitäten getroffen werden, die anderen Akteuren zu Gute kommen.

3.5 Unikum

Können Viersener Einwohnerinnen und Einwohner die Beratungs- oder Hilfsleistung nur bei einer einzigen Organisation wahrnehmen, erhält diese einen Bonus von 25 % der Gesamtsumme.

Kategorie 4: Sonderkategorie

Die Förderkriterien für eine Grundfinanzierung sind eine Offenheit der Angebote für alle Einwohnerinnen und Einwohner, die Einbindung und Beteiligung von Engagierten (Rückgratorganisation) und der Austausch mit anderen Akteuren.

8. Flexible Förderung

Die Mittel können zu bestimmten Fristen beim FB 40 beantragt werden, der die Vorhaben anhand der Richtlinien prüft. Der Geschäftsbereich entscheidet über eine Förderung. Dem Ausschuss für Soziales und Gesundheit wird jährlich zum Stand der Vorhaben berichtet. Das Vergabeverfahren der flexiblen Fördermittel wird im Anhang erläutert.

Das Konzept finden Sie hier auch zum Download:

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