Miteinander Viersen leben

Wir dokumentieren an dieser Stelle die Rede der Bürgermeisterin der Stadt Viersen, Sabine Anemüller, anlässlich des Neujahrsempfangs der Stadt am Freitag, 12. Januar 2018.

 

MITEINANDER VIERSEN LEBEN

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Viersenerinnen und Viersener,

liebe Gäste!

Der Männergesangverein Süchteln-Vorst hat stimmgewaltig den heutigen Abend eröffnet. Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, dass dieser Chor zu diesem Anlass überhaupt kommen würde. Doch nun steht er hier, als komplettes Ensemble. Mit mehr als 50 Stimmen.

Ich bin bekennender Fan von Chören – und ganz besonders von diesem Chor. Nach dem, was Sie gerade gehört haben, verstehen Sie sicher, warum. Lieber Männergesangverein Süchteln-Vorst: Vielen Dank für diesen Hörgenuss, den Sie uns, den Sie mir heute Abend bereitet haben.

Chorgesang, meine Damen und Herren, das ist eine Vielfalt von Stimmen. Eine Vielfalt von Stimmen, die schließlich ein großes Ganzes ergeben. Jede einzelne Stimme hat etwas ganz besonderes – und doch wird sie einzeln nie das erreichen, was in einer Gemeinschaft, im Miteinander möglich ist.

Miteinander,

das ist auch das Motto des heutigen Abends: „Miteinander Viersen leben“. Dieses Motto knüpft natürlich und gewollt an das Thema des Jahres 2017 an, an „Viersen lieben – Viersen leben“. Das Miteinander ist die Basis für das Leben in der Stadt und für die Liebe zur Stadt. Zu unserer Stadt Viersen.

Wenn ich mich umschaue heute Abend in unserer Festhalle, in der „guten Stube der Stadt Viersen“, dann sehe ich viele Menschen, die in unserer Stadt aktiv sind. Männer und Frauen, die etwas für unsere Stadt tun. Menschen, die sich engagieren für das Miteinander. Sie tun das in der Politik, in Vereinen und Verbänden, in Gemeinschaften und Organisationen.

Sie alle sind motiviert und angetrieben von dem Ziel, Verbesserungen zu erreichen. Sie wollen helfen, wollen Gemeinschaften bilden und stärken. Das tun Sie, weil Sie wissen, dass eine Stadt, dass eine Stadtgesellschaft nur im Miteinander funktioniert, nur als Gemeinschaft funktionieren kann.

Mein herzliches Willkommen gilt daher den vielen Menschen aus den Vereinen, Organisationen und Institutionen in unserer Stadt. Menschen, die sich auf vielfältigste Art und Weise engagieren.

Lassen Sie mich an dieser Stelle einige weitere Gäste begrüßen, (...)

Ihr Interesse an diesem Abend und damit am Miteinander in Viersen freut mich sehr.

 

Meine Damen und Herren, liebe Gäste!

Nichts ist schwieriger, als ein vernünftiges Zusammenleben, ein gutes Miteinander, zu organisieren. Da erzähle ich Ihnen keine Neuigkeit.

Jeder und jede, der oder die in einem Verein oder in der Politik tätig war oder ist,

jeder und jede, der oder die Verantwortung trägt,

jeder und jede, der oder die eine Funktion, ein Ehrenamt, übernommen hat, weiß:

Entscheidungsprozesse sind nie einfach. Aber Entscheidungen tragen umso besser, je mehr sie im Miteinander in einem demokratischen Prozess erarbeitet, vielleicht sogar errungen worden sind.

Dieses Ringen ist eine tägliche Herausforderung. Demokratie ist harte Arbeit. Das gilt sicher nicht nur in Viersen, sondern auch in ganz Deutschland, wo um die Regierungsbildung gerungen wird, auch in Europa, wo sich immer mehr Separierungs-Tendenzen zeigen, und in der Welt, die förmlich aufgeschreckt ist von dem katastrophalen Slogan „America first“.

Darum – so schwierig es auch sein mag – dürfen wir bei dem Ringen um Entscheidungen, bei unseren demokratischen Prozessen das Miteinander nicht aus den Augen verlieren. Miteinander leben bedeutet, dass wir die Unterschiede zwischen uns Menschen akzeptieren. Miteinander leben bedeutet auch, unsere Gemeinsamkeiten, unsere Gesetze und unsere Werte zu akzeptieren.

Wir werden immer daran arbeiten müssen, dass Alt und Jung Wege des Miteinanders finden. Die Integration von Menschen anderer Herkunft und anderen Glaubens ist ein dauerhaftes Thema für unsere Stadtgesellschaft. Die Inklusion, das Miteinander von Menschen mit und ohne Einschränkungen, stellt uns vor immer neue Herausforderungen. All das gilt im privaten Bereich, auf der Straße und in öffentlichen Einrichtungen. Und es ist eine Herausforderung für die Entwicklung unserer Stadt.

Eine Entwicklung, das will ich nebenbei anmerken, die schon durch die vielen Baukräne deutlich sichtbar wird. Unsere Stadt wächst, allen Prognosen über die Flucht in die Großstädte zum Trotz. Und die Entwicklung erfasst alle Stadtteile, Alt-Viersen ebenso wie Dülken, Süchteln und Boisheim. Überall geht es voran und wird weiter voran gehen. Auch Stadtentwicklung ist ein Thema, das vom Miteinander lebt. Unser Viersen ist, lassen Sie es mich so sagen, mehr als die Summe der gedanklichen Kirchtürme.

Statt fünf Jahrzehnte zurück, müssen wir in die Zukunft denken. Uns für die Zukunft aufstellen. Denn die, das ist eine Binsenweisheit, liegt komplett vor uns. Diese Zukunft müssen wir gestalten, und zwar – Sie sehen, ich komme immer wieder darauf zurück – miteinander.

Und dazu rufe ich alle auf, die Interesse daran haben, gemeinsam an der Zukunft unserer Stadt zu arbeiten. Bei allen politischen Unterschieden in Auffassung und Herangehensweise gilt: Nur Miteinander können wir unsere Stadt Viersen gut gestalten.

Ein großes Thema der vergangenen – und wohl auch noch der nächsten – Wochen war und ist der Haushalt der Stadt. Zunächst einmal bin ich unglaublich froh, für 2018 einen ausgeglichenen Haushaltsentwurf präsentieren zu können. Das gab es schon seit vielen Jahren nicht mehr und ist unter anderem auch das Ergebnis großer Sparanstrengungen. 

Ein für 2018 ausgeglichener Haushalt ist das Eine. Nun ist der nächste Schritt erforderlich, diesen Ausgleich auch für die kommenden, für die nächsten Jahre sicherzustellen. Wie und wann wir welchen Schritt dafür gehen können und werden, das müssen wir noch politisch entscheiden.

Darüber wird der Rat, das von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte höchste Entscheidungsgremium der Stadt, nach demokratischen Spielregeln beraten. Ich wünsche mir, dass wir miteinander zu einer klugen und guten Entscheidung kommen. Auch in der Frage, ob am Ende des Tages höhere Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich notwendig sind.

Wichtig ist: Weder ein ausgeglichener Haushalt in diesem Jahr noch in den kommenden Jahren befreit uns von der Notwendigkeit, vernünftige, vorausschauende und nachhaltige Beschlüsse zu treffen. Der Abschied vom Haushaltssicherungskonzept bedeutet durchaus die Chance, freier zu entscheiden. Er bedeutet aber nicht, dass wir dann das Geld mit der Schaufel ausgeben dürfen.

Der Haushaltsausgleich darf nicht als Lizenz für neue Schulden verstanden werden. Erst recht nicht für maßlose Ausgaben für schöne Projekte, in deren Licht wir uns dann sonnen.

Darum sind wir gefordert, miteinander einen Weg zu finden, an den richtigen Stellen das weiterhin knappe Geld auszugeben. 

Welche Stellen ich meine, wenn ich von den „richtigen Stellen“ spreche, dazu will ich Ihnen gerne etwas sagen. Wenn wir miteinander den richtigen Weg finden wollen, müssen alle Beteiligten offen sagen, was sie erreichen wollen. Nur wenn die Ziele benannt werden, lässt sich darüber streiten und der gemeinsame Weg finden.

Unser Viersen wächst. Viersen wächst, weil es für die Menschen eine attraktive Stadt ist. Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine kleine, aber alles andere als unbedeutende Nebenbemerkung: Wenn eine Stadt ein attraktiver Lebensort für unsere Bürgerinnen und Bürger ist, wird sie auch für die Unternehmen mehr und mehr als Standort attraktiv. Denn wir leben mehr und mehr in einer Welt, in der nicht die Fachkräfte den Unternehmen hinterherziehen, sondern in der die Unternehmen dorthin gehen müssen, wo die Fachkräfte sind.

Fachkräfte ist ein gutes Stichwort für eines der Ziele, die wir in Viersen anstreben: Wir müssen den Menschen die Sicherheit geben, dass ihre Kinder in unserer Stadt gut aufgehoben sind. Das reicht von der Betreuung kleiner Kinder bis zu den Schulen und den Freizeitangeboten.

Im Bereich Kinderbetreuung sind wir bereits gut aufgestellt und werden immer besser. Kitas und Tagespflege sind gut organisiert und zukunftsfähig, die Ganztagsangebote der Schulen werden ausgebaut. Die Vielfalt der weiterführenden Schulen bleibt erhalten.

Nun wissen Sie und ich, dass die Stadt nicht über die Inhalte schulischer Bildung entscheidet. Aber wir haben unmittelbaren Einfluss, wie wohl sich die Kinder – und damit letztlich auch die Eltern – in den Schulen fühlen. Der Zustand der Schultoiletten wird da gerne als „Maßstab“ für den Wohlfühlfaktor herangezogen.

Wir alle wissen, dass Gemeinschaftstoiletten nicht nur in Schulen immer ein schwieriges Thema sind. Das heißt aber nicht, dass wir dauerhaft Toiletten hinnehmen sollten, die schon unmittelbar nach dem Putzen so aussehen, als hätten sie eine Grundreinigung dringend nötig. Eine Schule soll und darf kein Museum für Sanitäranlagen vergangener Zeiten sein.

Wir arbeiten daran. Und nicht nur an den Toiletten. Mein Ziel sind Schulen, die in allen Bereichen moderne Ansprüche erfüllen. Ansprechende Klassenräume, gut ausgestattete Fachräume und angenehme Aufenthaltsmöglichkeiten für Pausen und den Ganztag gehören dazu. Und ganz wichtig: Eine zeitgemäße digitale Ausstattung.

Eine zeitgemäße digitale Ausstattung wünsche ich mir aber nicht nur für die Schulen, sondern für alle Bereiche unserer Stadt. Schnelles Internet zu attraktiven Bedingungen überall gehört dazu. Für die Bürgerinnen und Bürger und für unsere Unternehmen.

Und eine digital aufgestellte Verwaltung. Wo immer es geht, sollen die Bürgerinnen und Bürger ihre Angelegenheiten von zuhause aus regeln können. Rund um die Uhr. Die Zeiten, in denen eine einfache Anfrage an die Verwaltung erst einmal dazu führt, dass ein Mensch in den Keller steigen muss, um die passende Akte aus dem Archiv zu holen, müssen baldmöglich Vergangenheit werden.

Und auch dann, wenn ein Gang zum Amt erforderlich ist – oder wenn ein Mensch einfach lieber mit einem anderen Menschen über sein Anliegen sprechen will – auch dann muss sich ein einfacher Vorgang direkt am Schreibtisch erledigen lassen.

Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass unser Leben in einer Gemeinschaft nicht nur digital ist. Die Modernisierung unserer Sportangebote ist hier ein gutes Beispiel. Das gilt für die Möglichkeiten für Vereine und Gemeinschaften ebenso wie für Freizeitsportler, die spontan und ohne Bindung aktiv sein wollen. Die Entwicklung am Hohen Busch zeigt die Richtung, in der es voran gehen muss.

Kultur ist uns ebenfalls ein wichtiges Thema. Wir können uns nicht darauf ausruhen, dass wir in der Festhalle ein kleines Juwel besitzen. Wir müssen Kultur auf allen Ebenen weiter fördern, das vielfältige Angebot erhalten und erweitern. Das reicht von Abo-Angeboten der Kulturverwaltung über – nicht zu vergessen – eine hervorragende Stadtbibliothek mit Angeboten für Jung und Alt bis zur Unterstützung freier Kulturangebote. Veranstaltungen wie Eier mit Speck, die Konzerte des Jazz-Circles, wie open-art, Dülken Kulturbunt oder das Kulturquartett zeigen in die richtige Richtung.

Bürgerschaftliches Engagement zu unterstützen muss für die Stadt nicht lästige Pflicht, sondern gern geübte Kür sein. Wir müssen uns der Schätze, die wir in der Stadt haben, bewusster werden. Es kann nicht sein, dass eine Schenkung des Vereins für Heimatpflege dazu führt, dass in unserer Stadt darüber debattiert wird, ob „die da oben“ statt für die neue Skulptur das Geld lieber für die Einrichtung neuer Parkplätze ausgeben sollen. Außerhalb unserer Stadt beneidet man uns um diese Skulpturensammlung und auch um das bürgerschaftliche Engagement, das diese erst möglich gemacht hat.

Nicht vergessen dürfen wir an dieser Stelle auch das Brauchtum. Es ist kein Zufall, dass die Menschen, die sich hier engagieren, auch an vielen anderen Stellen durch ehrenamtlichen Einsatz auffallen. Kein Zufall ist das deshalb, weil Brauchtum immer das Miteinander in den Vordergrund stellt. Womit sich auch an dieser Stelle der Kreis wieder schließt.

Ohne Miteinander kommen wir nicht voran. Es gibt noch viele Beispiele. Denken Sie an den Einzelhandel. Die Stadt kann für die attraktive Gestaltung der Einkaufsbereiche sorgen – im Miteinander mit dem Handel und den Bürgerinnen und Bürgern. Die Stadt kann Feste und Aktionen organisieren. Für die Inhalte, für das attraktive Handelsangebot, müssen die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler sorgen.

Ich möchte hier noch eine kleine Seitenbemerkung unterbringen: Es ist nicht so, dass die Stadt irgendwo irgendwelche speziellen Handels- oder Dienstleistungsangebote schaffen kann. Wir können nicht „da mal ein Kino reinmachen“. Wir können die Rahmenbedingungen schaffen, damit im Miteinander neue Angebote entstehen. Ob diese Angebote dann Erfolg haben, entscheiden die Bürgerinnen und Bürger.

Das ist auch gut so. Die Zeiten, in denen Verwaltungen oder der Staat bestimmt haben, was die Bürgerinnen und Bürger brauchen, sind in Deutschland zum Glück Geschichte.

Das wird sich auch nicht ändern durch Fake news oder Hetz-Kommentare in den sozialen Netzwerken. Auf diversen Facebook-Seiten wird suggeriert, dass eine andere Bürgermeisterin - oder ein anderer Bürgermeister - es schon richten würde. Gewissermaßen wie eine Kurfürstin, die allein bestimmen kann, wer wo was zu tun hat. Das sind Gruppierungen, die sich in ihren Aktionen aufs Meckern beschränken. Die zwar alles besser wissen, aber zugleich keine Verantwortung für das Miteinander übernehmen oder sich demokratischen Abstimmungen stellen.

Diesen Zustand, der an vielen Stellen die Diskussionen über die Zukunft unserer Stadt vergiftet, müssen wir überwinden. Aber auch das werden wir schaffen. Im Miteinander derer, die konstruktiv für die Zukunft unserer Stadt eintreten. Im Miteinander derer, die nicht gegen Viersen arbeiten, sondern für ihre Stadt.

Es gibt noch viele andere Themen, über die wir uns Miteinander Gedanken machen müssen. Zu viele, um sie alle hier und heute anzusprechen.

Themen, hinter denen weit mehr steckt als das, was wir auf den ersten Blick erkennen. Wenn wir beispielsweise über die Qualität von Radwegen und über Bettelampeln sprechen, müssen wir uns doch in Wirklichkeit mit der Frage beschäftigen, ob wir eine Stadt wollen, die in erster Linie Lebensraum für Autos ist – oder Lebensraum für Menschen.

Wenn wir über Laubfall von Straßenbäumen sprechen, müssen wir uns doch mit der Frage beschäftigen, ob wir eine grüne Stadt nicht nur auf dem Papier sind, sondern das auch leben wollen. LED-Bäumchen mögen mehr Licht bringen und weniger Dreck machen als Eichen, Buchen, Pappeln. Aber wollen wir das?

Die Liste der Themen, die vor uns liegt, ist lang, Darum höre ich an dieser Stelle mit der Aufzählung auf und sage: Was wir wollen, müssen wir miteinander herausfinden und miteinander auf den Weg bringen. Für Viersen.

Miteinander arbeiten, miteinander Politik machen, miteinander Viersen leben, miteinander Viersen lieben. Ich schaue zuversichtlich auf Viersens Zukunft und auch auf unser Miteinander in unserer Stadt.

(...)

Ich wünsche Ihnen allen noch ein angenehmes Miteinander mit interessanten Gesprächen. Und weil das hier der Neujahrsempfang ist, wünsche ich Ihnen und Euch allen, persönlich, aber auch im Namen des Rates und der Verwaltung, ein frohes, gesundes und von einem friedlichen Miteinander geprägtes Jahr 2018.

Vielen Dank.

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Pressemitteilung Stadt Viersen
Inhalte geben den Stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung (13.01.2018) wieder.

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