Jüdischer Friedhof Dülken (153)

Listenart: Bodendenkmal, religiöse Denkmäler
Listen-Nummer025
eingetragen seit31.07.2009
Flur / Flurstück66/351
AnschriftVenloer Straße, Viersen - Dülken

Lage
Westlich vor der mittelalterlichen Stadtmauer, neben dem ehemaligen evangelischen Friedhof, lag der ältere jüdische Friedhof von Dülken. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde er nicht mehr belegt. Heute handelt es sich bei diesem Areal um eine städtische Grünfläche mit drei Reihen, in den 80er Jahren, gepflanzter Bäume. Am Zugang von der Venloer Straße steht ein Gedenkstein zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde und ihren Friedhof.

Geschichte
Die erste urkundliche Erwähnung eines Juden aus Dülken erfolgt 1340 in den Schreinsurkunden der Kölner Laurentiuspfarre. Zu diesem Zeitpunkt oder wenige Jahre danach kann anhand der Überlieferung davon ausgegangen werden, dass eine kleine jüdische Gemeinde in Dülken existierte. Wo ihre Toten bestattet wurden, ist nicht bekannt. Während der Pestperiode von 1348 bis 1351 gehörten zu den Verfolgten wohl auch Dülkener Juden, die aber in der Folgezeit weiterhin als Kaufleute bis zum Ende des 14. Jahrhunderts in den Quellen genannt werden. Danach bricht die Überlieferung ab und erst Mitte des 17. Jahrhunderts berichten Geleitbriefe über Handel und Religionsfreiheit der Juden in Dülken. Für 1659 ist eine erste Synagoge in der Stadt überliefert, 1721 wird über eine weitere berichtet. Wenige Jahre später dürfte der Friedhof an der Venloer Straße entstanden sein, 1768 wird er erstmals in den Quellen genannt.

Jede Grabstätte auf einem jüdischen Friedhof wurde nur einmal belegt, dies gebot die rituelle, ewige Totenruhe. Aus “sanitärpolizeilichen“ Gründen, die mit der Nähe zu den besiedelten Gebieten hergestellt wurden, ordnete die Bezirksregierung Düsseldorf am 02.11.1872 die Schließung dieses Friedhofs an. Eine letzte Bestattung fand 1873 statt. Nach dem jüdischen Religionsgesetz wird die Begräbnisstätte auch weiterhin als Friedhof betrachtet.

Archäologische Situation und Befunderwartung
Nach der Auflassung als Friedhof fand in den folgenden Jahrzehnten keine Nutzung des Geländes statt. Erst 1938 kaufte die Firma Storch und Pfahl das Grundstück und wurde verpflichtet, dass neben den noch vorhandenen Grabsteinen bei einem Bodeneingriff auch die Exhumierung und Überführung der Gebeine zu erfolgen hatte. Genutzt wurde das Gelände innerhalb des Betriebes als Lagerhalle. Das Areal wurde zur Straße hin durch eine Mauer abgegrenzt. Tiefgründige Baumaßnahmen sind nicht überliefert.

Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich Spuren der alten Grablegungen im jüdischen Friedhof an der Venloer Straße erhalten haben. Je nach Beschaffenheit des Bodens ist von einem längeren Erhalt der Skelette und möglicher anderer Beigaben im Erdreich auszugehen. Dazu gehören sowohl Gewandreste wie auch andere Gegenstände. Diese, in Analogie zu anderen archäologischen Untersuchungen getroffene Aussage, basiert u.a. auf den Ergebnissen der Grabung in Inden, Kreis Düren, bei der ein christlicher Friedhof mit einer Belegung über mehrere Jahrhunderte ausgegraben wurde und an den noch erhaltenen Skeletten anthropologische Aussagen und Krankheitsbilder festgemacht werden konnten.

Denkmalwert
Der jüdische Begräbnisplatz von Viersen-Dülken gehört aus bodendenkmalpflegerischer Sicht zu den bedeutenden Zeugnissen frühneuzeitlicher und israelitischer Siedlungs- und Sozialgeschichte. Neben den schriftlichen Überlieferungen ergänzen die im Boden verbliebenen Bestattungen als archäologische Zeugnisse die historischen Quellen. Auf Grund der nur an der Oberfläche erfolgten Zerstörung des Friedhofes sind weitere Spuren der Grablegungen im Boden zu erwarten und damit Urkunden zur Geschichte des Judentums von Viersen und seiner Umgebung.

Die im Untergrund erhaltenen Grablegungen dokumentieren den alten jüdischen Friedhof und damit einen der Mittelpunkte des kulturellen jüdischen Lebens in der handelspolitisch bedeutenden mittelalterlichen Stadt Dülken. Das vorrangige Ziel der Unterschutzstellung ist der Erhalt und die Sicherung des Begräbnisplatzes.

Das Alter und die Anzahl der Bestattungen sowie die Überreste der Bestatteten sind geeignet, Auskunft über den Ablauf der Belegung und über die Jenseitsvorstellungen der Menschen zu geben. Bei guter Erhaltung des Gesamtbefundes lassen sich über anthropologische Analysen z.B. Aussagen über Seuchen und Epidemien (Pest, Diphterie) machen und Alter, Geschlecht, Verletzungen oder Krankheiten der Bestatteten bestimmen.

Die jüdische Begräbnisstätte an der Venloer Straße ist mit dem umgebenden und einschließenden Boden als Mehrheiten von Sachen, die in einem funktionellen Zusammenhang stehen, bedeutend für die Geschichte des Menschen, bedeutend für die Stadt- und Regionalgeschichte von Viersen und den Niederrhein. Für ihren Schutz und Erhalt stehen wissenschaftliche, insbesondere historische, auch städtebauliche und kulturgeschichtliche Gründe im Vordergrund. Er erfüllt die Voraussetzungen nach § 2 DSchG NRW zum Eintrag als ortsfestes Bodendenkmal in die Liste der geschützten Denkmäler; an der Unterschutzstellung besteht ein öffentliches Interesse.

Literatur
A. Nabrings: Die Geschichte der Juden in Dülken. In: Kreis Viersen (Hrsg.), Geschichte der Juden im Kreis Viersen. Schriftenreihe des Kreises Viersen, Band 38, Seite 355ff

Elfi Pracht-Jörns: Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen. Beiträge zu den Bau- und Denkmälern im Rheinlande, Band 24.2, Regierungsbezirk Düsseldorf, (Köln 2000), Seite 556ff

K. Flink: Rheinischer Städteatlas, Lieferung II, Nr. 9, Dülken, Köln 1974

Landesvermessungsamt NW (Hrsg.): Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und von Müffling, Blatt 42 Viersen, 1805/06, (1966)

Stand
Bonn, den 02. 01.2009

Wolfgang Wegener
Landschaftsverband Rheinland/ Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

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