Katholische Pfarrkirche St. Clemens und Kirchhof

Listenart: Bodendenkmal, religiöse Denkmäler
Listen-Nummer034
eingetragen seit19.06.2013
Flur / Flurstück86/409 (tlw.), 487
AnschriftHochstraße 8, Viersen - Süchteln

Beschreibung
Im Zentrum von Süchteln, östlich der Hochstraße, steht die Pfarrkirche St. Clemens, die auch heute noch bestimmend für das Stadtbild ist. Ihr hoher Turm bildet eine weithin sichtbare Landmarke, die bis heute die Silhouette der Stadt beherrscht. Der heute vor uns stehende Bau ist im Wesentlichen das Ergebnis zweier Bauzeiten: Der spätgotische Turm mit Tuffsteinverkleidung wurde im 15. Jahrhundert errichtet, während das Langhaus in der Mitte des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil erneuert wurde. 2009 erfolgte im Kirchschiff der Einbau einer neuen Heizung.

Die Kirche liegt zwischen dem dreieckigen Lindenplatz im Südosten, dem ehemaligen Verkesmarkt, und dem kleineren, schmalen Marktplatz im Nordwesten. Der Vergleich mit der Urkarte von 1812 zeigt nur wenige Veränderungen: Vor allem ist der Chor durch den Neubau des Langhauses in der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Osten hinausgeschoben. Die Häuserreihe, die hier an die frühere Kirchhofmauer angebaut war, wurde niedergelegt. „So reicht die Kirche jetzt bis an die Propsteistraße, die in ihrem südlichen Viertelkreis auf der alten Karte als zu beiden Seiten bebauter Weg zwischen Kirchhof und Propstei dargestellt ist. Der ehemalige Kirchhof ist durch den Neubau in zwei Bereiche geteilt worden, die heute unterschiedlichen Charakter haben: im Norden ein zwischen Kirche und Weberhaus eingespannter Platz, im Süden eine mit Grün gestaltete Fläche, die zum Kalvarienberg führt. Zur Hochstraße ist nicht nur die Kirchhofmauer entfallen – sie ist auf der Tranchot-Karte von 1805/06 als feiner roter Strich deutlich zu erkennen –, sondern auch ein kleines Haus, das den Bereich des Kirchhofs noch einmal deutlich vom Markt schied.“ (Stevens, Seite 9)

Historische Grundlagen
Die Siedlung Süchteln entstand an der Kreuzung zweier alter Handelswege. Hier bestand im 12. Jahrhundert bereits ein Hof mit Kirche und Kirchhof, der als curtis bezeichnet wird und dem Kölner Stift St. Pantaleon gehörte (Mackes, Text, Seite 10). Über den Zeitpunkt und die Errichtung der ersten Kirche gibt es keine genauen Informationen. Diese Kirche wird in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts niedergelegt und eine neue Kirche im gotischen Stil ab 1481 erbaut. „Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts war die Kirche für die angewachsene Gemeinde zu klein geworden. Deshalb beschloss man, sie durch den Anbau eines Querhauses und eines Chors zu vergrößern. Die Pläne dazu fertigte der Kölner Architekt Vincenz Statz. Am 22. März 1855 wurde der Grundstein für den Erweiterungsbau gelegt. Im folgenden Jahr brach jedoch am 6. Mai zunächst der Chorbogen zusammen; dann stürzten am 19. Oktober – wenige Stunden nach der sonntäglichen Messe – große Teile des Langhauses ein. Damit wurde ein Neubau der gesamten Kirche notwendig; lediglich der Turm konnte stehen bleiben. Auch hierzu lieferte Vincenz Statz die Pläne; die Ausführung lag in den Händen von Regierungs- und Baurat Carl Adolf Krüger und Bauinspektor Anton Walger. Der Bau war 1858 fertig; die Weihe erfolgte jedoch erst 1867. Auch die Außenhaut des Turms wurde im 19. Jahrhundert erneuert. Sie war nach hundert Jahren aber so beschädigt, dass sie ab 1963 gründlich instand gesetzt werden musste. Den Zweiten Weltkrieg überstand die Kirche ohne wesentliche Schäden.“ (Stevens, 2 f.).

Der Friedhof an der Kirche wird bis 1837 genutzt, dann erfolgt eine Umlegung an den nördlichen Stadtrand.

Archäologische Situation und Befunderwartung
Bei den archäologischen Untersuchungen, die vom 22.10. bis 28.10 2009 stattfanden, konnte keine flächenhafte Grabungen durchgeführt werden, sondern man musste sich auf die freigelegten Kanalgräben innerhalb der Kirche beschränken. Daher handelt es sich im Ergebnis nur um kleinere Ausschnitte von Baubefunden älterer Vorgängerbauten. Es gab Hinweise auf einen romanischen Vorgängerbau, einen spätgotischen Chor und zu errichteten Altären. Auf Grund des guten Erhaltungszustandes der archäologischen Befunde kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und im Vergleich zu Ausgrabungen in anderen Kirchen, angenommen werden, dass sich innerhalb der heutigen Kirche im Boden noch zahlreiche bauliche Reste der älteren Kirche sowie einzelne Grablegungen als archäologischer Befund erhalten haben.

Auch im Bereich des ehemaligen Kirchhofes ist mit zahlreichen Bestattungen aus dem Spätmittelalter und den nachfolgenden Jahrhunderten zu rechnen.

Denkmalrechtliche Begründung
Die Kirche St. Clemens in Viersen-Süchteln und der ehemalige Kirchhof gehören aus bodendenkmalpflegerischer Sicht zu den bedeutenden Zeugnissen hoch- bis spätmittelalterlichen Kirchenbaues am Niederrhein.

Die erhaltenen Fundamente einzelner Aus- und Umbauphasen tragen die Informationen zur Geschichte der Kirche, ihrer baulichen Entwicklung und Nutzungen. Auf dem Kirchhof wurden Bewohner des Ortes bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts bestattet. Diese Bestattungen stellen somit eine bedeutende Quelle zur Geschichte der Bewohner des Ortes dar. Mit naturwissenschaftlichen Untersuchungen der menschlichen Überreste sind Lebensumstände, Sterbealter, Krankheiten und Sozialstrukturen zu bestimmen. Weiterhin haben sich im Laufe der Jahrhunderte innerhalb des Kirchenbezirkes verschiedene Siedlungsschichten abgelagert, die als einzelne Straten zu erkennen sind und ein archäologisches Archiv der Entwicklung und Geschichte der Kirche und der Grablegungen darstellen. Jede einzelne Schicht liefert spezifische Informationen; in Brand- und Schutthorizonten werden Schadensfeuer und kriegerische Zerstörungen sichtbar. Aufgrund der zentralen Bedeutung der christlichen Religion in unserem Kulturkreis bildete die Kirche mit dem Friedhof einen der Mittelpunkte des öffentlichen Lebens, der die Gestalt des Ortes und seine historische Entwicklung entscheidend bestimmte. Das Alter und die Anzahl der Bestattungen, die Bestattungsweise, die stratigrafischen Beziehungen zwischen den Gräbern sowie die Überreste der Bestatteten sind geeignet, Auskunft über den Ablauf der Belegung und über die Lebensbedingungen der Menschen zu geben. Bei guter Erhaltung des Gesamtbefundes lassen sich über anthropologische Analysen z.B. Aussagen über Seuchen und Epidemien (Pest, Diphterie) machen, sowie Alter, Geschlecht, Verletzungen oder Krankheiten der Bestatteten bestimmen.

Die archäologischen Quellen und ihr Verhältnis zueinander sind in besonderem Maße dazu geeignet, die historische Entwicklung der Süchtelner Kirche zu dokumentieren und zahlreiche - historisch nicht zu klärende - Fragen zu beantworten. Die im Untergrund erhaltenen archäologischen Zeugnisse in Form von Mauerresten und Gräbern sowie der sie umgebende und einschließende Boden, sind als Mehrheiten von Sachen, die in einem funktionellen Zusammenhang stehen, bedeutend für die hoch- und spätmittelalterliche Siedlungs- und Kirchengeschichte des Niederrheins und der Geschichte des Ortes Süchteln innerhalb der Stadt Viersen.

Für den Schutz und Erhalt der Kirche St. Clemens und des Kirchhofes stehen wissenschaftliche Gründe im Vordergrund, da sich an den erhaltenen Zeugnissen im Boden noch offene Fragen zu den Bestattungsriten und der Baugeschichte der Kirche klären lassen. Sie erfüllen die Voraussetzungen nach § 2 DSchG NW zum Eintrag in die Liste der geschützten Denkmäler. Für die Erhaltung und den Schutz stehen wissenschaftlich landeskundliche, anthropologische, volkskundliche und baugeschichtliche Belange im Vordergrund, es besteht ein öffentliches Interesse

Schutzbereich
Der Schutzbereich umfasst den Bereich der heutigen Kirche und des ehemaligen Kirchhofes.

Literatur/Quellen
K. E. Mackes, Süchteln. Rheinischer Städteatlas, Lieferung VII. Nr. 41, 1982.

U. Stevens, Die St. Clemens-Kirche in Süchteln und ihre Baugeschichte, in. P. Dückers/P. van Vlodrop (Hrsg.), Die Pfarrkirche St. Clemens in Süchteln, Goch 206, Seite 9 - 33.

LVR/LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland: Ortsarchiv 2220 003, Grabungsbericht NI 2009/1059

Stand
22.03.2013

Wolfgang Wegener
Wissenschaftlicher Referent
LVR/ Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland

nach oben