Mostertzhaus

Listenart: Baudenkmal, städtische Denkmäler
Listen-Nummer490
Baujahr17. Jahrhundert oder später
eingetragen seit30.04.2009
Flur / Flurstück63/22, 23, 24, 171
AnschriftEligiusplatz 4-6, Viersen - Dülken

Es handelt sich um ein eingeschossiges Wohnhaus im Ortskern von Dülken. Es steht giebelständig zum Eligiusplatz, ehemals Lange Straße. Im Ursprung handelt es sich um ein dreischiffiges Fachwerkhaus zu vier Gebinden. Die Bauzeit ist nicht exakt zu bestimmen. Nach den bisher vorliegenden Untersuchungen ist eine Datierung des Kernbestandes noch in das 17. Jahrhundert möglich, womit es nach heutigem Kenntnisstand zumindest eines der ältesten erhaltenen Häuser in Dülken wäre. Später wurde das Haus teilweise umgebaut und erweitert, zuletzt in der 1. Hälfte oder Mitte des 20. Jahrhunderts um einen Atelieranbau für den Maler Heinrich Mostertz, unter dessen Namen das Haus in Dülken nach wie vor bekannt ist. Grundstruktur und Kern-Bausubstanz blieben dabei aber im Wesentlichen bis heute erhalten.

Sein hohes Alter zeigt das Haus bereits in der Fassadenansicht durch seine Giebelständigkeit und die deutlich ablesbare Teilung in ein Mittelschiff und zwei schmalere Abseiten links und rechts (hier wohl nachträglich asymmetrisch). Wesentlich ist aber vor allem das im Inneren noch erhaltene Kerngefüge.

Charakteristisch sind der annähernd quadratische Grundriss (10,90 x 9,90 m Seitenlänge) und die dreischiffige Binnenstruktur, also die Aufteilung des Hauses in drei Zonen. Sie wird durch das Kerngefüge aus Fachwerk mit den beiden Abseiten gebildet. Diese bei dem Haus eindeutig anzutreffende Disposition entspricht den Befunden G. Eitzens, die er an den ältesten Häusern der Region festgestellt hat, und die durch jüngste  Bauuntersuchungen an anderen Objekten (z.B. Krefeld-Oppum, Hauptstraße 344) bestätigt werden konnten. Zu den originalen Baustrukturen gehört auch die das  Kerngefüge querteilende Wand, an der die heutige Treppe liegt. Das Haus ist im Bereich der mittleren Zone bis zur Quertrennwand mit einem bauzeitlichen Gewölbekeller aus Backstein unterkellert.

Die drei Zonen des Hauses sind durch bis in den Dachstuhl reichende Längswände voneinander getrennt. Im Dach- und Obergeschoss ist die Fachwerkkonstruktion als Ständerbau sichtbar. Von den ehemals wohl vier Gebinden sind noch wenigstens zwei sichtbar vorhanden, ausgesteift über relativ steil ansetzende Streben. Im Dachgeschoss ist festzustellen, dass sämtliche Wände durch eine Lehmstakung mit Weidengeflecht geschlossen sind. Der Bodenbelag besitzt noch die aus der Erbauungszeit stammenden Eichenbohlen, die eine bemerkenswerte, auf hohes Alter hindeutende Breite von bis zu 60 Zentimetern aufweisen.

Die das Haus querteilende Trennwand, ebenfalls aus Fachwerk mit eingezapftem Bundbalken und Mittelständen, zeigt starke Rußspuren. An dieser Wand muss dem Befund zu Folge, was auch bautypologisch zu erwarten wäre, eine Kamin- oder offene Feuerstelle gelegen haben. Die Wand teilte das Gebäude – wie auch heute noch – in Vorder- und Hinterhaus.

Sehr wahrscheinlich besaß das Vorderhaus in der mittleren Zone ursprünglich nur ein sehr hohes, bis zum Dachboden reichendes und auch sonst nicht weiter unterteiltes Geschoss. Die heutige Einteilung in Erd- und Obergeschoss wie auch die zweite Quertrennwand dürften mit dem Einbau der Treppe im ausgehenden 19. Jahrhundert erfolgt sein. Dafür sprechen viele Details, besonders aber die im Obergeschoss sichtbare Konstruktion. Ein mächtiger Eichenbalken überspannt das Haus quer zum First, seitlich gestützt durch eingezapfte Kopfbänder. Erst im 19. Jahrhundert ist die bestehende Wand in die Konstruktion eingefügt worden. Der Querschnitt der Balken und die Konstruktion lassen auf ein hohes, also eingeschossiges Raummaß schließen.

Im Gegensatz zur mittleren Zone waren die Abseiten, zumindest die noch aus der Erbauungszeit stammende rechte, vermutlich von Anfang an zweigeschossig angelegt.

Erhalten ist die bauzeitliche Stiege des Hauses aus Eichenholz. Sie wurde allerdings dem neuen Raummaß des 19. Jahrhunderts entsprechend angepasst und in zwei Teile zersägt. Das eine Teilstück dient als Dachgeschossstiege, das zweite vermittelt zwischen den unterschiedlichen Obergeschossniveaus von der Abseite zur Mittelzone.

Die Stiege lag ursprünglich in der Abseite, welche dem reinen Wohnen vorbehalten war. Im Mittelteil kann von einer „Mischzone“ mit Wohn- und Wirtschaftsfunktion ausgegangen werden. Dafür sprechen die zu vermutende Herd-/Feuerstelle, das Raummaß und der bauzeitliche Gewölbekeller. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei dem Objekt um ein Rauchhaus handelt. Da die linke Abseite und der rückwärtige Hausteil (vermutlich bis auf die linke Längsinnenwand) neu errichtet sind, können die ursprünglichen Funktionen nur im Analogieschluss zu weiteren Objekten hypothetisch benannt werden: in der linken Abseite könnte der Stallteil, in der hinteren Haushälfte eine Stube, eventuell auch ein Backhaus gelegen haben.

Vertiefende Untersuchung von Architektin Inge Breidenbach:

Die anhand der Grundrisse und der Gliederung des Giebels angefertigte Skizze des Querschnittes zeigt - und es bestätigte sich durch die Untersuchung vor Ort -  dass es sich um ein typisches niederrheinisches Hallenhaus handelt: dreischiffig, die Gebinde in Doppelankerkonstruktion mit Zapfenschlössern  Vorhanden sind das Giebelgebinde und zwei Innengebinde. Das hofseitige der  ehemals vier Gebinde ist durch Mauerwerk ersetzt. Im Mittelschiff tragen die unteren Ankerbalken die Deckenbalken mit den Dielenböden des Obergeschosses und die oberen den Söllerboden. Im dritten Gebinde liegt der obere Anker erhöht; auch dieser ist an seinen beiden Enden in die Ständer eingezapft, somit zugehörig zum ursprünglichen Bestand. Entsprechend höher liegt auch das folgende  Drittel des Söllers. Dies ist der Teil des Hauses mit später abgewalmtem (oder  erneuertem) Dachgebälk und dem Querhaus, das an den Giebel des rechten  Nachbarhauses angrenzt. Im Übrigen ist die Traufgasse noch vorhanden. Im rechten  Seitenschiff trägt der Einzug die Erdgeschossdecke. 

Dem Haustyp entsprechend, hat ursprünglich ein linkes Seitenschiff bestanden. Es wurde unter  beibehalten der Grundfläche erneuert. An der zur Halle gewandten Abbundseite und den Auflagerstellen der früheren Sparren auf dem Rähm ist zu erkennen, dass es sich bei diesem Hausteil nicht um einen Anbau handelt. Die Feuerstelle wird sich wohl (möglicherweise beidseits) des dritten Gebindes befunden haben. In einer  alten Darstellung steht dort ein Schornstein mittig im First - (der im Söller in dem hoch liegenden Ankerbalken eingezapfte Pfosten endet auf dem unteren Anker, möglich daher eine gemauerte Kaminrückwand). 

Die beiden  gewölbten Keller, straßenseitig unter Seitenschiff und Halle, waren in der Zeit der ursprünglichen Nutzung verbunden. 

Es ist erkennbar geworden, dass das Mostertzhaus - bis auf die Hausteile in Backstein -  ursprünglich erhalten ist. Das Gerüst, Eiche (Ständer und Anker in Stärken von 25 bis 28 cm), lässt in seinen Abmessungen auf ein hohes Alter schließen. Die Ausfachung mit Lehmflechtwerk dürfte weitgehend erhalten sein. Der Söllerboden besteht im Bereich der vorderen beiden Fache aus im Mittel 50 cm breiten  Eichenbohlen. 

Das Sparrendach des Mittelschiffes ist zwischen Giebel und dem späteren Helm erhalten. Die Sparren, mit angeblatteten Kehlbalken stehen hier nicht auf dem Rähm, sondern sind an auskragende Sattelhölzer angeblattet. So wird erreicht, dass die Dachfläche über Mittelschiff und Seitenschiffen die gleiche Neigung erhält. 

Die Gliederung des Giebelgebindes über dem jetzt gemauerten Erdgeschoss wird bei weiterem Freilegen nachvollziehbar sein, soviel ist schon jetzt erkennbar. Die Ständer sind noch vorhanden und wohl auch der untere der beiden  Ankerbalken.

 

Das Haus wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert in Teilen erneuert: der rückwärtige Hausteil und die linke Abseite aus Ziegelsteinen sind dieser Maßnahme zuzurechnen. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Innenausbau umfasste u. a. den Einzug einer Decke in der mittleren Zone und mit dieser die notwendige Geschosstreppe und zweizonige Fensteranordnung.

Atelieranbau
Rückwärtig befindet sich ein Anbau, zunächst einraumtief quer vor der alten Fassade und dann als schmaler zweigeschossiger Flügel in die Tiefe des Grundstücks hinein sich erstreckend. Das Erdgeschoss ist backsteinsichtig, das nach Süden vorkragende Obergeschoss ist verputzt und besitzt große Fensteröffnungen. Sein sehr flach geneigtes Pultdach ist mit einem kleinen Shed-Aufsatz versehen, der vom Innenhof des Alten Waisenhauses her Licht in den großen Raum darunter führt.

Bauzeit bzw. Umbau zum Atelier des rückwärtigen Flügels sind gegenwärtig unbekannt, wahrscheinlich erste Hälfte bis Mitte 20. Jahrhundert. Es handelt sich hierbei um das Atelier des Dülkener Malers Heinrich Mostertz, der 1884 geboren wurde und 1975 in diesem seinem Elternhaus starb. Er hatte es 1940 wieder bezogen, nachdem er vorher überwiegend in Afrika (Tansania) als Verwaltungsbeamter und Maler gelebt und gearbeitet hatte. Mostertz malte überwiegend Motive aus seinen jeweiligen Lebenswelten, also Afrika und Dülken. Er kann durchaus als eine örtliche Berühmtheit gelten, dessen Werk aktuell in Dülken wieder bekannt geworden ist. Nicht zuletzt ist das Haus am Eligiusplatz, in dem er lebte und arbeitete, bis heute unter seinem Namen in Dülken ein Begriff.

 

Lebenslauf von Heinrich Mostertz*
„Heinrich Mostertz. Geb. 4. April 1884 in Dülken, Lange Straße 98, gest. 19. Januar 1975 in Dülken, Lange Straße 98.

Geboren in Dülken, führte der fast 91-jährige Lebenslauf von Heinrich Mostertz über Tansania und Berlin letztendlich wieder zurück nach Dülken.

Seine Ausbildung begann er an der Südschule, der heutigen Kreuzherrenschule, und wechselte zuletzt zur Realschule in Dülken. Aus dieser frühen Zeit weisen Zeichen auf die musische Begabung von Heinrich Mostertz als Darsteller einer Schüleraufführung der Realschule zu Dülken vom 19.12.1898.

Er trat 1905 in Berlin ins Kaiserliche Kolonialamt ein und ging 1910 als Gouvernments-Sekretär nach Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania. Er führte die Verwaltung des Bezirks Lindi, später auch die des südlichen Kilwabezirks. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde Heinrich Mostertz am 23.4.1918 von Dar es Salaam über Indien, Suez und Alexandria nach Deutschland deportiert.
Nachträglich wurden ihm für seine Verdienste das Eiserne Kreuz II (1920) und das Kolonialabzeichen (1922) verliehen.

Wieder in Deutschland, besann er sich wieder auf seine künstlerischen Talente und besuchte von 1920 bis 1926 in Berlin-Charlottenburg die Malschule Müller-Schoenefeld.

1926 zog es ihn wieder in sein 'Tanganyika', wo er als erster Dülkener und 45. registrierter Europäer am 1.3.1927 den Kraterrand des Kilimandjaro bestieg. Was Heinrich Mostertz zur Erfindung eines 'unelastischen Leibgürtels' bewog, der mit Nr. 504411 am 4.8.1930 vom Reichspatentamt patentiert wurde, ist noch unerforscht.

Am 14.7.1932 heiratete er in Dar es Salaam Margarete Gänsel.

Am 10.4.1937 meldete er sich und seine Frau Margarete erneut nach 'Tanganyika' ab und begann sich einzurichten. Am 28 Juli 1938 kaufte er für 2350,- Shilling 2 ha Land in Kurasini, Distrikt Dar es Salaam, baute ein Haus mit großem Atelier und begann sein zweites Leben in Afrika, als Maler.

Doch nur zwei Jahre später machte der Zweite Weltkrieg den Lebensplänen von Heinrich Mostertz wieder  einmal einen Strich durch die Rechnung. Am 15.4.1940 erhielt er seinen zweiten Deportationsbefehl, der ihn und seine Frau über Venedig wieder nach Berlin brachte, wo er sich am 9. September 1940 wieder anmeldete.

1940, wieder zurück in seiner Heimatstadt Dülken, gründete Heinrich Mostertz hier den Hadisi Verlag und begann zu schreiben. Unter anderem stammen 'Seestern und Safarihorn', 'König Narr' und 'Don Quichote in der Narrenstadt Dülken' aus seiner Feder. Auch eine ganze Reihe von Gedichten in Dölker Platt stammt von Heinrich Mostertz. Einen Teil seiner Werke Sammlerstücke aus Afrika stiftete Heinrich Mostertz dem Rautenstrauch - Joest Museum in Köln (1964) und den National Museum of Tanzania in Dar es Salaam (1969).

Heinrich Mostertz starb am 19. Januar 1975, fast 91-jährig, da, von wo er einst in die Welt zog, in seinem Elternhaus in der Lange Straße 98.
Sein Vetter Ferdinand Mostertz wanderte in die USA aus und stiftete den Ferdinand Mostertz Ring der Narrenakademie.“

Denkmalwert
Häuser dieses Alters sind selten unverändert überkommen. Auch das Mostertzhaus besitzt Reparaturen und Modernisierungen im Bestand, die jedoch die grundsätzliche Struktur und den Kernbestand bewahrt haben. Die Veränderungen des 19. Jahrhunderts sind daher mit Respekt zu betrachten, zumal sie teilweise eigenständige Prägung besitzen (linke Abseite). Der Atelieranbau steht eigenwertig für eine weitere, ortsgeschichtlich bedeutende Zeitschicht in der Nutzung des Hauses und ist daher als integraler Teil des Denkmals anzusehen.

Der Ortskern von Dülken ist geprägt von der Vielgestaltigkeit seiner Bausubstanz. Während er strukturell, d.h. in Grundriss und Ausdehnung noch mittelalterlich geprägt ist, stammt die Bebauung im Aufgehenden überwiegend aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ein substanziell noch so weitgehend aus einer älteren Zeitschicht stammendes Gebäude wie das  Mostertzhaus besitzt daher eine hohe Bedeutung für die Geschichte des Ortes und einen beträchtlichen Alterswert. Im Fokus ist diese örtliche Vielgestaltigkeit am Nebeneinander von Mostertzhaus und Altem Waisenhaus ganz prägnant ablesbar, wo das kleine Mostertzhaus nicht zuletzt auch die Größe und Würde des jüngeren Patrizierhauses zusätzlich betont.

Architekturgeschichtlich handelt es sich um einen ehemals regional charakteristischen, heute aber selten noch nachweisbaren Bautyp, der eine Mischform aus „niederdeutschem Hallenhaus“ und  „Wohn-Stall-Gebäude“ darstellt (vgl. Gerhard Eitzen, Niederrheinische Bauernhäuser vom 15. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, Köln/Bonn 1987, Seite 26ff.).

Das Haus Eligiusplatz 4/6 ist bedeutend für Viersen, insbesondere den Stadtteil Dülken, denn in ihm manifestiert sich in Erscheinung und Substanz ein wichtiger Teil der historischen Dimension von Dülken. Auch über Dülken hinaus stellt es ein wichtiges Zeugnis eines ehemals typischen, heute aber selten gewordenen vorindustriellen Haustyps dar. Aufgrund seines Alters und seines noch immer anschaulichen Zustandes liegen Erhaltung und Nutzung aus den beschriebenen wissenschaftlichen, hier architekturgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse. Als langjährige Wohn- und Arbeitsstätte des Malers Heinrich Mostertz kommen ortsgeschichtliche Gründe hinzu. Es trägt außerdem erheblich zur charakteristischen historischen Vielgestalt des Eligiusplatzes bei, insbesondere im Zusammenspiel mit den links und rechts anschließenden bzw. benachbarten Baudenkmälern, so dass auch städtebauliche Gründe für seine Erhaltung sprechen.

Es handelt sich daher gemäß den Vorgaben des § 2 (1) Denkmalschutzgesetz NRW um ein Baudenkmal.

Literatur
Objektakten Lange Straße 98-100/ Eligiusplatz 4-6 des LVR-Amtes für Denkmalpflege im Rheinland.

Gutachten Architektin Inge Breidenbach, 14.09.2008.

Gerhard Eitzen, Niederrheinische Bauernhäuser vom 15. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, Köln/Bonn 1987, Seite 26ff.

*http://www.duelken.de/Geschichte/Persoenlichkeiten/Mostertz.htm

Im Auftrag
Dr. Marco Kieser
Landschaftsverband Rheinland
Amt für Denkmalpflege im Rheinland

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