Stadtbefestigung Süchteln 'Hagenbroicher Pfortz' (157)

Listenart: Bodendenkmal, öffentliche Denkmäler, geschichtliche Denkmäler
Listen-Nummer029
BaujahrMittelalter
eingetragen seit10.10.2012
Flur / Flurstück86/199, 500, 505
AnschriftHochstraße/ Ecke Ostring, Viersen - Süchteln

Landwehren
Im frühen Mittelalter waren die meisten Gehöfte oder wenigsten die einzelnen Honschaften durch Gräben und Wallhecken gesichert. Als sich die Gemeinden später wirtschaftlich enger zusammenschlossen, verschwanden diese Gräben und Hecken allmählich. Nur an den Grenzen, wo nicht ein Fluss oder ein Bruch eine natürliche Schutzwehr bildete, wurden sie beibehalten und weiter ausgebaut. So umgab 1545 die ganze Süchtelner Gemarkung eine Landwehr, bestehend aus einem Wall und beiderseits einem Graben. Durch die Landwehr, die die Grenzen der Gemeinde unverrückbar festlegte, wurden zunächst die jahrzehntelang sich hinschleppende Grenzstreitigkeiten Einhalt geboten. Die Hauptbedeutung der Landwehr lag aber darin, dass sie einen Schutz in den unablässigen Fehden und Kriege der vergangene Jahrhunderte gewährte. In unruhigen Zeiten standen hier Beobachtungsposten, die beim Anrücken des Feindes die Schützenbrüderschaften alarmierten. Waren die Angreifer zu stark, um sie zurückzuschlagen, so suchte man doch wenigstens ihr Vordringen so lange aufzuhalten, bis sich die Bewohner mit Hab und Gut in Sicherheit gebracht hatten.

Stadtmauer
In der Blütezeit der Fehden wird zweifellos auch die Dorfhonschaft, der Fleck Süchteln, seine Befestigung erhalten haben. Denn schon 1405 wurde Süchteln zu den befestigten Plätzen des Herzogtums Jülich gezählt. Ein Wall mit 2 Gräben, dessen ungefährer Verlauf die heutigen Straßen Ost- und Westwall kennzeichnen, umschloss den Ort nach allen Seiten. Den Wall bepflanzte man mit Ulmen, Buchen und Erlen, deren Wachstum durch Abschneiden der Spitze nach den Seiten gelenkt wurde. Durch Verflechten der Zweige und den verkrüppelten Wuchs entstand im Laufe der Zeit ein fast undurchdringliches Gewirr von Stämmen und Ästen. Zudem wurde die Festigkeit der Wälle durch regelmäßiges Bespicken mit Weidengerten und Einrammen von Erlenpfählen unterstützt. Außerdem verstärkte man den Wall teilweise durch Mauern, Palisaden und Zäune. An einzelnen Stellen führten Treppen auf den Wall. Der innere Graben wurde anschließend von den anschließenden Bürgern zu Mist- und Kalkgruben oder als Tummelplatz der Schweine benutzt. Weitere Schutzanlagen bildeten die sogenannten Rondelle, runde von Pfeilern getragene Ausbauten der Wälle, die meist mit Erlen bepflanzt waren und im Verteidigungsfalle ein erfolgreiches Bestreichen des äußeren Grabens ermöglichten. Der Erlöse aus dem Holzeinschlag wurden für die Unterhaltung der Festungswerke verwandt. Als zentraler Wachturm diente der 1481 errichtete massive Kirchturm.

Stadttore
In die Stadt hinein führten anfangs zwei Stadttore: die Giskens Port, Sittarder Pforte oder Vierschener Pforte, auf die die Wegeverbindung der Heerstraße von Viersen führte, und die Loudtpfortze, Newe Portze oder Buschpforte, auf den Weg nach Dülken führte. Im Gegensatz zu vielen erhaltenen Stadttoren am Niederrhein, die Wehranlagen im eigensten Sinne darstellen, waren die Süchtelner Tore nur schlichte Pforten, die die angrenzenden Wälle und Mauern überragten. Seit der Erfindung der Feuerwaffen hatten nämlich die Torbauten viel an ihrer wehrhaften Bedeutung verloren. Um Diebesgesindel und plündernden Banden den Zutritt zur Stadt zu sperren, genügten auch die Torpforten Die Süchtelner Tore sind alle erst nachher entstanden. Sie wiesen ein Durchgangstor, eine Wachstube im Erdgeschoss und Mietwohnungen in beiden Geschossen auf.Aufgabe des Pächters war, die Straße durch das Tor ständig durch einen Schlagbaum gesperrt zu halten und bei Bedarf für den Schlagbaum auf- und zuzumachen. Für die Nacht und in gefahrvollen Zeiten musste er außerdem eine besondere Schutzwehr, die Fallhecken oder Falltore herunterlassen, die dann dauernd geschlossen blieben. Der Pächter selbst war durch seine Aufgaben deshalb von weiteren bürgerlichen Wachdiensten befreit.

Hagenbroicher Pfortz
1582 beschlossen die Bürger den Bau eines dritten Tores. Dieses sollte einen Ausgang der Süd-Nord-Achse in Richtung Hagenbroich und Straelen über die Heerstraße ermöglichen. Der Abt von St. Pantaleon, Gottfried von Werden, schrieb am 25.11.1582 an die Bürgermeister: „Es sei ihn angenehm gewesen zu hören, dass man zur Erhaltung Schirmung und Schützung der Gemeinde diesen Neubau zu unternehmen gedenke; er werde seiner Zeit auch ein freiwilliges Scherflein dazu beitragen.“ Danach ist es wahrscheinlich, dass es den Bürgern nicht leicht fiel, die Kosten für das Stadttor zusammenzubringen. Die Vorsteher und Schöffen zeichneten eine freiwillige Gabe von 100 Dalern. Eine neue Steuer brachte etwa 200 Reichstaler ein. 10 Jahre später, 1592 konnte schließlich nach Anweisung des Meisters Daeme von Brüggen mit dem Bau begonnen werden, in dem das Fundament ausgeworfen wurde. In der „Geschichte der Stadt Süchteln“ von Josef Deilmann wird der Baufortschrift wie folgt dargestellt: „Dann ging der Bau rasch seiner Vollendung entgegen. Bald konnten der Zimmerer, Meister Heinrich, und seine Gesellen den Maienstrauß aufstecken, wofür sie von den Bürgermeistern 3 Daler weniger 5 Stüber Trinkgeld erhielten. Meister Jan, der Schmied, und Meister Peter Mehlers, der Leien(Dach)decker, beendeten die Arbeiten. Der „Waffenstein“, der oben in die Krönung des Tores eingefügt wurde, war von dem Süchtener Eingesessenen Matthias Mehlers für einen Reichsort ausgehauen worden. Das ganze Tor, das den Namen „Zerris- oder Geyrenpforte“ erhielt, seit 1786 Hagenbroicher Portz genannt, hatte 744 Daler 4 Stüber gekostet.“

Im 17. Jahrhundert verschlechterte sich der Zustand der Befestigungsanlagen. Der Brüggener Amtmann stelle 1620 fest, dass die Flecken Süchteln und Waldniel nicht mehr als mit bloßen und trockenen Gräben umzogene Dörfer seien. 1694 erlaubten die Bürgermeister den Anbau von Häusern und Schweineställen an den Ost- und Westflügeln des Vierschener Pforte und Hagenbroicher Pfortz. Dabei musste die Durchfahrt in Toresbreite freigehalten werden. 1812 fielen Buschpforte und Hagenbroicher Tor Straßenweiterungen zum Opfer.

Ausgrabungen/Funde
Bei Abrissarbeiten auf dem Grundstück Hochstraße 54 (Ecke Ostring) im Norden von Süchteln wurde im Bereich der ehemaligen Stadtbefestigung am nördlichen und westlichen Rand der Baugrube Reste der Süchtelner Stadtbefestigung, genauer der seit 1786 sogenannten "Hagenbroicher Pfortz" freigelegt. Es handelt sich um massives Mauerwerk aus Backstein von 1,00 m Breite mit dem Ansatz eines Gewölbekellers an der Stadtseite.

Denkmalwert
Die Stadtbefestigung von Süchteln, hier das Hagenbroicher Tor, ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen am Niederrhein. Sie erfüllt die Voraussetzungen gemäß § 2 DSchG NRW zur Eintragung in die Liste der Bodendenkmäler. Für die Erhaltung und Nutzung stehen wissenschaftliche, volkskundliche und städtebauliche Gründe im Vordergrund. Ihr Schutz liegt im öffentlichen Interesse.

Literatur
Josef Deilmann: „Geschichte der Stadt Süchteln“, Süchteln 1924, Seite 80-84

Karl Mackes, Margret Wenksy, Werner Krötz: „Süchteln“, in: Landschaftsverband Rheinland/ Amt für rheinische Landeskunde (Hrsg): Rheinischer Städteatlas, Lieferung VII Nr. 41, Bonn 1982

Stand
FB 80/II Bauen und Umwelt
-Untere Denkmalbehörde-
Viersen, den 15.02.2012

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