Wohnhaus Heinrich Jägers

Listenart: Baudenkmal, städtische Denkmäler
Listen-Nummer547
Baujahr1911/1921
eingetragen seit03.02.2022
Flur / Flurstück49/657
AnschriftRicarda-Huch-Straße 6, Siebenweg 1a, Viersen - Süchteln

Lage/ Geschichte
Das Haus Ricarda-Huch-Straße 6/ Siebenweg 1a wurde 1911 nach Plänen des Baugeschäfts Wilhelm Rompelberg als Mehrfamilienwohnhaus für den Süchtelner Wirt Heinrich Jägers errichtet. Das stattliche Gebäude befindet sich in markanter städtebaulicher Lage unmittelbar an dem ehemaligen Friedhof am Hagelkreuz. So hießen die neuangelegte Straße hinter dem Friedhof zunächst „Am Stadtgarten“, und der Siebenweg ursprünglich (Windberger)Kirchweg. Auch wenn das Gebäude den Eindruck einer herrschaftlichen Villa macht, so war es wohl die Alterssicherung des Rentners Heinrich Jägers. Je eine Wohnung im Erd- und Obergeschoss und Zimmer im Dachgeschoss wurden von der Ricarda-Huch-Straße erschlossen. Er selbst wohnte gemäß Adressverzeichnis in der Einliegerwohnung, die durch einen separaten Eingang vom Siebenweg aus betreten wurde. Nach dem Tod Heinrich Jägers 1913 erwarb der Fabrikant Reinold Schmitz aus Süchteln das Haus. Er betrieb eine lithographische Kunstanstalt in unmittelbarer Nähe an der Johannisstraße. Er ließ 1921 am hinteren Grundstücksende eine Garage, verputzt und mit Krüppelwalmdach errichten. 

Beschreibung
Das allseitig putzsichtige Wohngebäude nimmt mit seinen Gebäudekanten den Straßenverlauf auf und steht daher nicht im rechten Winkel. Die beiden straßensichtigen Fassaden heben sich gestalterisch ab. Die Fassade zur Ricarda-Huch-Straße wird durch einen mittigen vorspringenden Risaliten geprägt, der die Hauseingangstür und die darüber liegenden Treppenhausfenster aufnimmt. Zudem befinden sich leicht vertieft in einem durchgehenden „Rahmen“ rechts und links schmale hochrechteckige Fenster und oben abschließend Festons als Putzdekore im Risalit. Die Haustür wird seitlich durch Faschen und oben durch einen geschwungenen Wulst und einem Blumenkorb betont. Den oberen Abschluss des Risalits bilden ein Gesims als Eierstab und eine mehrfach abgestufte Dachtraufe. Die beiden zurückliegenden Wandflächen werden jeweils durch ein hochrechteckiges Fenster pro Etage gegliedert.

Zum Siebenweg dominiert ein 2-1/2-geschossiger Giebel, der im Dachgeschoss ungleichschenklig abschließt. Während die rechte Hauskante gerade bis zur Giebelschräge hochgeführt wird, wird die linke Hauskante ab dem Obergeschoss als Mansarddach abgeschrägt. Daran schließt sich ein eingeschossiger Seitenflügel an. Die Giebelfassade wird durch Fensterreihen gegliedert, die nicht mittig ausgerichtet sind. Jeweils ein zweiflügeliges Fenster mit Oberlicht rechts und links rahmen Loggien mit ihren Balustraden ein. Über den beiden Fenstern im Giebeldreieck ist ein opulentes Putzdekor angebracht: ein Medaillon mit reich verzierten Feston und Blütenschmuck. Der eingeschossige Seitenflügel mit Satteldach weist lediglich die Eingangstür zur Einliegerwohnung auf.

Der gegenüberliegende Giebel an der Garagenauffahrt ist funktional gestaltet. Eine Nebeneingangstür führt in die Wohnung im Erdgeschoss. Am hinteren Ende springt der Baukörper 1,50 m über zwei Geschosse seitlich vor. Ursprünglich sind neben Etagentoiletten im Erdgeschoss ein Abgang in den Garten und im Obergeschoss eine Loggia als Austritt vorzufinden.

Auch die zum Garten gerichtete Fassade wird durch Vor- bzw.  Rücksprung gegliedert. Die Putzfassade ist weitgehend fensterlos, nur im hinteren Bereich befindet sich eine Fensterachse.

Die innere Raumstruktur und die Raumausstattung sind bis heute erhalten. Die Wohnungen zur Ricarda-Huch-Straße werden im Hochparterre und in den Obergeschoßen durch eine zweiläufige Holztreppe mit Mittelpodest erschlossen. Das gedrechselte Treppengeländer und die Rahmenfüllungstüren einschließlich der Türgriffe weisen eine schlichte Formensprache auf. Der Fußbodenbelag im Hauseingangsbereich ist ebenfalls zeittypisch in Terrazzo ausgeführt. In den Innenräumen sind Dielenböden vorzufinden. Die Wohnungen im Erd- und Obergeschoss haben die gleiche Raumaufteilung mit einer Küche und 3 Wohnräumen.

Die Einliegerwohnung am Siebenweg weist die gleiche Innenausstattung auf, die Holztreppe, Zimmertüren und Bodenbeläge betreffend. Im Hochparterre befinden sich ein Wohnzimmer und eine Wohnküche mit einer dahinterliegenden Spülküche. Im Obergeschoss sind zwei Schlafzimmer und eine Nebenraum untergebracht.

Die Garage passt sich gestalterisch mit ihrer Putzfassade und der Eindeckung des Krüppelwalmdaches mit Doppelmuldenfalzziegel an das Wohnhaus an.

Bauherr
Der Bauherr Heinrich Jägers, 1859 in Krefeld geboren, war gemäß Adressbuch sowohl als Wirt als auch als Klein- und Mehlhändler an der Hochstraße 28 in der Innenstadt Süchtelns tätig und dort mit seiner Familie – Ehefrau und zwei Töchter -wohnhaft. Vermutlich aus gesundheitlichen Gründen gab er seine Gastwirtschaft und seinen Handel auf und ließ das Mehrfamilienhaus als Alterssicherung errichten. Er bezog als Rentner mit seiner Ehefrau die Einliegerwohnung an der Siebenstraße. Bereits zwei Jahre später verstarb er mit 54 Jahren am 15.10.1913.

Bauleiter/ Entwurf
Die Bauunternehmung Wilhelm Rompelberg zeichnete für eine Vielzahl von Wohnbauten ab ca. 1900 verantwortlich. Das Unternehmen plante und errichtete ihre Bauten in der Regel nach eigenem Entwurf. Wilhelm Rompelberg, am 19.02.1875 in Duisburg-Homberg geboren, ließ sich – vermutlich nach der Heirat im Jahr 1902 mit der Süchtelnerin Maria Schroers - am Westwall 11 nieder und gründete ein Baugeschäft. Auf den Firmenbriefköpfen aus den Jahren 1927 und 1936 wurde neben dem Baugeschäft auch auf sein Architekturbüro, eine Ringofenziegelei und eine Baumaterialienhandlung hingewiesen. Sein Sohn Johannes arbeitete als selbstständiger Architekt in Büderich. Sein Sohn Karl übernahm vermutlich das Baugeschäft, fiel allerdings in den letzten Kriegstagen im Alter von 36 Jahren. Wilhelm Rompelberg starb mit 72 Jahren am 18.07.1947 in Süchteln. 

Denkmaleigenschaft

Wissenschaftliche, hier architekturgeschichtliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung
Das Wohnhaus von Heinrich Jägers ist ein anschaulich erhaltenes Zeugnis der Architektur und Stadtentwicklung zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Süchteln. Die Errichtung des Wohnhauses fiel in den Zeitraum, nach dem in direkter Nachbarschaft die Provinzial-Heil und Pflegeanstalt Johannisthal erbaut wurde. Der villenartige Wohnungsbau in Süchteln orientierte sich an der für die Klinik charakteristisch und prägend zu nennenden Formensprache des Landhausstils. Die Villen ähneln sich, variieren aber in den Details. Gemeinsam ist allen das Material des Backsteins, vereinzelte Putzflächen, sparsames Dekor, die Fensterformen, Vor- und Rücksprünge der Fassaden, Risalite mit unterschiedlichen Giebelformen und -zierelementen, reich ausgeprägte Dachlandschaften, zum Teil mit Schleppgauben und Veranden.

Das Wohnhaus von Heinrich Jägers hebt sich zum einen dahingehend ab, dass das Gebäude eine durchgängige Putzfassade ohne Fachwerk und oder Backsteinflächen aufweist. Eine verschachtelte Struktur mit Vor- und Rücksprüngen, vielfältige Fensterformate, Eingänge, Loggien, filigrane Stukkaturen mit floralen Motiven sowie eine rote Dacheindeckung mit Doppelmuldenfalzziegeln nehmen aber die typischen Gestaltungselemente der Landhausarchitektur auf. Zum anderen macht es den Eindruck einer freistehenden Villa. In Wirklichkeit war und ist es ein Mehrfamilienhaus mit einer Einliegerwohnung, die vermutlich ursprünglich als Alterssitz den Eigentümer auch finanziell absichern sollte.

Auch die Innenausstattung ist weitestgehend ursprünglich erhalten und gibt einen Eindruck der Wohnkultur seiner Zeit wieder. Es finden sich typische Ausstattungselemente wie die Treppen und Zimmertüren der Landhausarchitektur wieder. Gleiches gilt für die später errichtete Garage am hinteren Grundstücksende.

Städtebauliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung
Das Wohnhaus Ricarda-Huch-Straße 6/ Siebenweg 1a befindet sich in Ecklage an einer markanten Stelle an der Ausfallstraße von Süchteln nach Grefrath. Bereits im 15. Jahrhundert ist die Wegeverbindung von der Innenstadt zum Boscherhof als Boscher Kirckpayde belegt. Zwischenzeitlich als Windberger Kirchpfad oder Kirchweg bezeichnet, wurde er Anfang des 20. Jahrhunderts nach dem letzten Besitzer des Gutshofs – Heinrich Sieben - Siebenweg benannt. Sein Ausbau zur Allee stammt aus der Bauzeit der Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Johannisthal zwischen 1902 und 1905.

Durch die Anlage des ehemaligen katholischen Friedhof Am Hagelkreuz im Jahr 1837 wurde die Dreiecksfläche gebildet, die in ihren historischen Umriss bis heute unverändert erhalten und wahrnehmbar ist. Die neue Querverbindung Vockelsteger Weg, heute Ricarda-Huchstraße, wurde geschaffen. Als der Friedhof im Jahr 1888 wieder geschlossen wurde, hatte sich die Stadt Süchteln insbesondere entlang der Bezirksstraße, heute Hoch- bzw. Grefrather Straße, baulich ausgedehnt. Vornehmlich stattliche zweigeschossige Wohnhäuser zeigen den wirtschaftlichen Aufschwung. Das erste errichtete Wohnhaus an der neuen Querverbindung von Heinrich Jägers überragte den Friedhof und war weithin sichtbar. Es stellte über einen längeren Zeitraum einen städtebaulichen Eckpunkt dar. Die umgebende Bebauung schloss sich erst in den 1930er Jahren und später an.

Schutzumfang
Das Wohnhaus Ricarda-Huch-Straße 6/ Siebenweg 1a einschließlich Garage in Viersen-Süchteln ist ein Baudenkmal - außen und innen, wie beschrieben - im Sinne des § 2 Denkmalschutzgesetz NRW. Es ist bedeutend für Viersen. An seiner Erhaltung und Nutzung besteht aus wissenschaftlichen, hier städtebaulichen und architekturgeschichtlichen Gründen ein öffentliches Interesse.

Quellen und Literatur
Bauakten der Stadt Viersen
Standesamtsbücher
Adressbücher der Stadt Viersen
Karl Mackes, Marcus Ewers, Fred Pollmanns: „Die Süchtelner Straßennamen“ in: Verein für Heimatpflege e.V. Viersen (Hrsg.): „Viersen – Beiträge zu einer Stadt“, Band 31, Viersen 2006

Stand
FB 63 - Bauordnung
-Untere Denkmalbehörde-
Viersen, den 20.01.2021

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