Listenart | religiöse Denkmäler |
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Listennummer | 558 |
Baujahr | 1967 |
Eingetragen seit | 30.04.2024 |
Flur / Flurstück | 102/1122 |
Adresse |
Hoserkirchweg 45
41747 Viersen |

Entwurf: Heinz Döhmen, Architekt
Geschichte
Die Totenhalle auf dem 1866-67 errichteten Städtischen Friedhof Löh der Stadt Viersen wurde 1967 – somit symbolisch 100 Jahre nach Eröffnung des Friedhofs - nach einem Entwurf des Architekten Heinz Döhmen errichtet. Sie bildet den Übergang zwischen der tiefer gelegenen Stadt im Osten und dem historischen Friedhof und dient seitdem als Toten- bzw. Aussegnungshalle des größten Viersener Friedhofs.
Aufgrund des Bevölkerungswachstums im Zuge der Industrialisierung entstand im 19. Jahrhundert ein gestiegener Bedarf an neuen Friedhofsflächen, so dass 1866-67 der kommunale Friedhof Löh neu und im Stil der Zeit parkartig angelegt wurde. Die gärtnerische Nachahmung der Natur dient der Beförderung der Vorstellung, dass die Hingeschiedenen in den Schoß der Natur zurückkehren.
Den beiden großen Konfessionen trug man bei der Anlage des Friedhofs Löh Rechnung, indem man zwei Friedhofskapellen errichtete und dem jeweiligen Leichenzug einen separaten Zugang auf den Friedhof durch ein repräsentatives Tor ermöglichte. Unmittelbar an den Friedhofskapellen finden sich große Grabstätten mit meist imposanten Grabsteinen der wichtigen Familien und Persönlichkeiten, die die Stadt Viersen in wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftliche und/ oder kirchlicher Hinsicht prägten. Mehrere Erweiterungen des Friedhofes folgten.
Ab Mitte der 1960er Jahre wurde mit den Planungen für ein neues, modernen Ansprüchen genügendes, zentrales Friedhofsgebäude begonnen. Dass damit zugleich auch ein architektonisches Wahrzeichen beabsichtigt war, könnte ein Grund gewesen sein, dass die Stadt das Gebäude nicht selbst plante, sondern den bekannten Architekten Heinz Döhmen beauftragte. Die Bauplanungen wurden 1966 mit der Baubeschreibung „Totenhalle“ erstellt, die Genehmigung erfolgte 1967. Interessanterweise ist die Baubeschreibung der Bauantragsunterlagen mit der Adresse des Architekturbüros an der Alsstraße 236 in Mönchengladbach angegeben, die Pläne sind dagegen noch mit „Viersen/Ummer“ gezeichnet. Die Baukosten wurden mit 975.000 DM bei einer Bauzeit von 2 Jahren angegeben.
Lage
Die Totenhalle befindet sich in erhöhter Lage gegenüber der Innenstadt Viersens, am höchsten Punkt östlich der Stadt (ca. 70 m ü. N.N. gegenüber ca. 40-50 m ü. N.N. Innenstadtlage). Die Halle markiert zugleich den östlichsten Punkt des mit Grabstätten belegten Friedhofgeländes und fungiert gleichsam als Übergangspunkt und Point de Vue. Das in Hanglage hoch aufragende Gebäude liegt leicht versetzt zur Achse Heinrich-Heine-Straße. Der zur Erbauungszeit geringere Bewuchs förderte eine stärkere Blickbeziehung zum tiefer gelegenen Gelände und setzte das Gebäude als Schlusspunkt der Achse; zugleich markiert es den Übergang zum westlich anschließenden, parkartigen und bewaldeten Friedhofsgelände. Vor allem der Zentralbaukörper ist aufgrund dieser Lage aus der Stadt sichtbar, die niedrigen vorgelagerten Eingangs- und Funktionsräume wirken als Sockel, der nach Osten durch die vorgelagerten Wiesenflächen freigestellt ist.
Beschreibung
Der Bau besteht aus der hoch aufragenden, aus Stahl und Glasflächen bestehenden Feierhalle als markantem Kern des Gebäudes sowie einem dem nach Osten abfallenden Geländeprofil folgenden, massiven und zweigeschossigen Vor- bzw. Unterbau.
Von der Stadt bzw. dem nahen Parkplatz aus wird der Besucher über mehrere Treppenanlagen den Hang hinauf zur Nordostecke geführt, an der sich der Haupteingang befindet. Sämtliche Wege führen nicht orthogonal auf den Haupteingang zu. Stattdessen ist ein seitliches, teils spitzwinkliges Abweichen erforderlich, um über die Treppenanlage in das Gebäude zu gelangen. Diese vom üblichen Friedhofsraster abweichende Wegeführung ist im Übrigen auch auf den früheren Entwürfen zum Gebäude bereits geplant. Erst nach dem Durchschreiten des Gebäudes gelangt man wieder auf eine der typischen Hauptachsen des historischen Friedhofgeländes.
Dem Plangrundriss des Gebäudekomplexes liegen ineinander verschobene Sechsecke zugrunde, wobei die Feierhalle den Kern des Konzepts bildet. Im Aufgehenden stellt diese ei-en prägnanten, erhöhten Zentralbau auf sechseckiger Grundfläche mit flach geneigtem Kupfer-Faltdach auf Holzschalung dar. Alle Seiten werden durch weitgehend aufgelöste Fassaden als rostfarbene Stahl-Glas-Konstruktion mit filigran wirkendem, vertikal und diagonal verlaufendem Fassadenraster und sich nach unten verjüngenden, starken Eckpfeilern gebildet. Nach Westen gehen die Glasflächen unmittelbar in das Grün der Friedhofsanlagen und nach Südwesten in die anschließende Terrassenfläche über, zu der auch eine Doppelflügeltür aus der Feierhalle führt. Nach Nordwesten, Osten und Südosten umschließt der Vorbau, bestehend aus Haupteingang, Warteraum, und Vorsaal sowie den abgetrennten Räumen für Geistliche und Angehörige die Feierhalle. Der Vorbau ist erdgeschossig als überwiegend fensterloser, massiver Baukörper mit Flachdach ausgeführt. Die Traufe ist mit einer umlaufenden breiten Kupferblechkrempe gefasst. Der Vorbau ist in Stahl- bzw. Sichtbeton mit erkennbaren Schalungsabdrücken ausgeführt, ein grauer Anstrich ist nachträglich erfolgt. Zum breiten, tunnelartigen Haupteingang im Nordosten führt eine breite Freitreppe. Der Eingang selbst ist - wie auch Warteraum und Vorsaal - ohne feste Tür und ermöglicht den ständigen Durchgang zum Pendant auf der Südwestseite und der Terrasse bzw. der anschließenden Wegeachse zum Friedhof. Lediglich eine raumhohe und –breite Drehtür aus Stahl und Glas bietet als „Scharnier“ die Möglichkeit, Warteraum und Vorsaal voneinander zu trennen. Die Feierhalle selbst ist durch eine Stahl-Glas-Konstruktion vom Vorsaal abgetrennt und mittels Doppelflügeltür separat verschließbar.
Die materialbetonte Gestaltung ist im Innern konsequent und durch alle Räume fortgeführt. Der Boden besteht durchgängig aus einem Kleinpflaster, welches der Ausrichtung der Hexagon-Grundform der Feierhalle folgt. Die Wände sind entweder als Sichtbeton-Oberflächen belassen oder mit genieteten Metall- bzw. Kupferplatten behangen, in der Feierhalle zum Teil plastisch ausgeformt. In den Nebenräumen bzw. dem zugehörigen Zugangsbereich sind die Wände – so wie sonst alle Decken – mit lasierten Holzdielen verkleidet. Im Wartebereich befindet sich eine Mosaik-Pieta auf Granitsockel (Künstler: Will Brüll); seitlich daneben führt eine Holz-Glas-Tür zu den Nebenräumen für Geistliche und Leidtragende.
Fotos unmittelbar nach Fertigstellung zeigen, dass in der Feierhalle das metallene Ambo (Lesepult), drei hohe Kerzenständer und das Hochkreuz, sämtlich aus Metall, sowie die Hängelampen aus Milchglas zur bauzeitlichen Ausstattung gehören. Des Weiteren ist erkennbar, dass eine reiche Bepflanzung in sechseckigen Betonkübeln vorhanden war.
Das Untergeschoss beherbergt die Funktionsräume und ist vom Hauptgeschoss über Auf-zug und Treppe in den Nebenräumen erreichbar, vor allem aber über Zugänge von außen, darunter ein größeres Tor auf der Südseite für Transportzwecke und Anfahrt der Leichenwa-gen. Im Untergeschoss befinden sich um einen zentralen Raum aneinandergereiht 10 Räume für Aufbahrung und Vorbereitung der Toten. Davon getrennt liegen Räume für Per-sonal, Haustechnik sowie Personal- und öffentliche Sanitärräume.
Denkmalwert
Die Totenhalle auf dem Friedhof Löh in Viersen ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen. Trauer- oder Aussegnungshallen und unsere heutige Bestattungskultur haben ihren Ursprung in der Zeit der Industrialisierung, in der neue große Friedhöfe vor den Städten entstanden. Weltweit besonders ist in der hiesigen Friedhofskultur spätestens seit dem 19. Jahrhundert, dass die Gräber in Parklandschaften eingebettet und diese als kleine Gärten der Erinnerung gestaltet wurden. Dies wird auch auf dem Viersener Friedhof deutlich.
Die später zugefügte Totenhalle bezieht diese Parklandschaft in die transluzente Architektur explizit ein und schafft die Verknüpfung von Außen- und Innenraum in der Raumwirkung der Feierhalle. Wegeführung, Architektur und Raumdisposition erlauben eine Interpretation des Gebäudes als symbolisches Tor, „Zwischenstation“ des Lebensweges oder Schwelle zum Übergang zwischen Dies- und Jenseits. Während das Gebäude dem Diesseits, also der Stadt, als weithin sichtbarer Erinnerungsort oder gebautes „mementum mori“ mit einer gewissen Verschlossenheit erscheint, öffnet es sich leicht und mit einem starken Innen-Außenbezug zum Jenseits bzw. dem Friedhofsgelände. Dies spiegelt sich auch in der Raumfolge wieder: Nach Betreten des Haupteingangs und dem eher niedrigen und wenig belichteten Warteraum steigert sich die Raumfolge über den Vorsaal zur hohen und lichten Feierhalle als eigentlichen Ort der Abschiedszeremonie.
Der Trauer-, Aussegnungs- oder Totenhallen kommt als Ort der Trauer, des Abschieds und Kontemplation eine entsprechende symbolische Bedeutung in der Beerdigungszeremonie zu. Die Totenhalle in Viersen greift mit ihrer Baldachin-Architektur diese Bedeutungsebenen auf und schafft einen herausragenden Ort der Würde. Die Feierhalle mit ihren Glaswänden, den Eckpfeilern und der Anordnung der Diagonalstreben sowie dem Faltdach weckt durchaus Assoziationen mit einem Baldachin, die sechs Pfeiler dienen entsprechend als „Himmelsträger“. Der Baldachin (oder lateinisch Coelum = Himmel) schützt oder betont die Heiligkeit und Würde des Ortes und der dort stattfindenden Handlungen.
Neben dieser in der Architekturkonzeption und -sprache liegenden geschichtlichen und typologischen Bedeutung für die Bestattungskultur im Allgemeinen ist die Totenhalle bedeutend für Viersen als ein herausragendes architektonisches Wahrzeichen der Architektur der 1960er Jahre und damit des modernen Viersen und zudem natürlich als zentrale Infrastruktureinrichtung auf dem städtischen Hauptfriedhof, deren bemerkenswerte ältere Strukturen und Bestandteile sie mittels architektonischer Qualität fortschreibt und ihnen zugleich einen zeitgenössischen Kontrapunkt an die Seite stellt.
Ferner liegen für Erhalt und Nutzung künstlerische und wissenschaftliche, hier insbesondere architekturhistorische Gründe vor. Die Viersener Totenhalle ist ein eindrucksvolles Zeugnis der skulpturalen Architekturauffassung der 1960er Jahre, für die nicht zuletzt der Kirchenbau und die hiermit verwandten Friedhofsarchitekturen wichtige Anwendungsfelder waren. Sie ist hinsichtlich ihrer charakteristischen Merkmale gut und anschaulich erhalten und daher geeignet, der wissenschaftlichen Forschung zu dieser Baugattung und darüber hinaus zu den Architekturströmungen der Zeit als Quelle und Anschauungsobjekt zu dienen.
Außerdem ist sie ein Werk eines bekannten und für die Baugeschichte mindestens der Region seit den 1950er Jahren bedeutenden Architekten. Die Trauerhalle Viersen wurde nach Entwürfen des Architekten Heinz Döhmen errichtet, der 1927 in Korschenbroich geboren wurde und sich nach dem Architekturstudium an der TH Aachen bei Hans Schwippert 1956 als freischaffender Architekt in Viersen und Mönchengladbach selbständig machte. Heinz Döhmen ist sicherlich einer der wichtigen Architekten einer in großen Teilen noch zu erforschenden Baugeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Rheinland, innerhalb derer sein Schaffen vor allem für ein qualitätvolles, regional gebundenes modernes Bauen jenseits der in Büchern und Zeitschriften meist allein verfolgten Hauptwege der Architekturdebatten steht. Die Totenhalle in Viersen ist ein anschauliches und authentisch erhal-tenes Werk innerhalb Döhmens Oeuvre und bedeutend für die Architekturgeschichte und die Nachkriegsarchitektur des Rheinlands. Heinz Döhmen schuf hauptsächlich am linken Niederrhein bis in die 2010er Jahre zahlreiche Sakralbauten und Bauten kirchlicher und kommunaler Auftraggeber. Er war von 1975-2003 Lehrbeauftragter an der FH Aachen und seit 1988 dort als Honorarprofessor tätig. Großen Raum in seinem Schaffen nahmen Gemeinschaftsprojekte mit anderen Architekten ein, darunter die Planungsgruppe Bähr-Döhmen-Gansfort-Penker oder die Arbeitsgemeinschaft mit Professor Ernst Kasper. Besonders in seinem späteren Schaffen bezog er intensiv Bildende Künstler wie Horst Lerche, Hubert Spierling und Georg Ettl in die Gestaltung der Bauten ein. Ein erstes Werkverzeichnis erschien bereits 1982, andere Bauten wurden im Zusammenhang seiner Gemeinschaftsarbeiten mit Architekten und Künstlern, u.a. Karl-Heinz Gansfort und Ernst Kasper, publiziert. Von Seiten der Denkmalpflege wurde die Katholischen Kirchen St. Hubertus in Krefeld-Kliedbruch und Pax Christi in Krefeld bereits unter Schutz gestellt. Im NRW-weiten Forschungsprojekt zum Kirchenbau nach 1945 sind weitere Kirchen erfasst und zur Denkmalwertprüfung vorgesehen, ebenso das Rathaus in Kempen oder das Kreishaus in Viersen.
Heinz Döhmens Oeuvre ist bisher nur unzureichend erforscht und dokumentiert, so dass so unverfälscht erhaltenen Bauten wie der Viersener Totenhalle hoher Wert als Primärquelle zukommt. Dabei stellt die Totenhalle einen Sonderbau dar, der sowohl funktionale als auch sakrale Elemente verbindet, zudem aber weitere Bezüge aufweist: Die von Döhmen hier umgesetzte kristalline Form und die erhöhte Position erinnern entfernt an utopische Entwürfe Bruno Tauts um 1920 (Glashaus, Haus des Himmels etc.). Die hier zu Grunde liegende Form des Hexagons findet gerade in der Architektur der 1950er und 60er Jahre vereinzelt Verwendung, z.B. bei Frank Lloyd Wright (Kentuck Knob) oder bei Hentrich, Petschnigg und Partner (Rank-Xerox-Haus 1966-71). Häufig ist in der Nachkriegsmoderne und im Brutalismus das Spiel mit geometrischen Formen zu finden. Darüber hinaus symbolisiert das Hexagon die Allmacht Gottes im Christentum und stellt hier einen klaren Bezug zwischen Symbolkraft und Form her. Professor Heinz Döhmen starb im November 2019 in Viersen und ist auf dem dortigen Friedhof - in geringer Entfernung zur Totenhalle - begraben. Neben seinem Schaffen als Architekt haben sich Heinz Döhmen und seine Frau Therese als Kunstsammler und Förderer vor allem regionaler Künstler einen Namen gemacht. Werke aus der privaten Sammlung befinden sich heute u.a. im Museum Abteiberg in Mönchengladbach. Große Teile seines architektonischen Nachlasses, darunter auch seine Möbelentwürfe, sind inzwischen in der Obhut des Baukunstarchivs NRW in Dortmund.
Erhaltenswert ist die Totenhalle ferner aus volkskundlichen und städtebaulichen Gründen. Die Totenhalle ist baulich, vor allem aber funktional zentraler Bestandteil des Viersener Hauptfriedhofes und der dort stattfindenden Bestattungen. Zugleich ist sie Bestandteil der allgemeinen Friedhofs- und Bestattungskultur, welche den zentralen Handlungsrahmen der Rituale und Traditionen in Verbindung mit Trauerbewältigung und würdigem Erinnern bildet. Für unser kollektives Selbstverständnis ist die Friedhofskultur gleich mehrfach bedeutsam, so z.B. aus kultureller, historischer oder auch sozialer Sicht. Unsere Friedhofskultur ist aus unserem Lebensumfeld, aus unseren Dörfern und Städten nicht wegzudenken und Spiegelbild der jeweiligen Zeit und Gesellschaft und damit auch Teil der nationalen Identität. Die Trauerrituale, die mit dem Abschied von einem Menschen verbunden sind, sind prägende Bestandteile dieser Friedhofskultur. Die Abschiedszeremonie in der Totenhalle mit der Aufbahrung sowie die anschließende Beisetzung auf dem Friedhof bilden dabei den zentralen Handlungsrahmen der Trauerfeier. Zeremonie bzw. Handlung und zugehörige Abläufe sind hier planerisch berücksichtigt, baulich umgesetzt und mittels Durchwegung, Raumdisposi-tion und Raumwirkung gesteuert und funktional nachvollziehbar. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der im Jahr 2020 erfolgten Aufnahme der deutschen Friedhofskultur in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes ist die Totenhalle als unverzichtbarer Bestandteil dieser Kultur zu werten.
Städtebaulich bewusst gewählt ist die Lage am nahezu höchsten Punkt des von Ost nach West von der Viersener Innenstadt her ansteigenden Geländes; der eigentliche Friedhof schließt westlich auf der Hochfläche an. Vermutlich aufgrund des nach Norden abfallenden Geländes steht der aufragende Bau nicht exakt in der Achse der Lambersart- und Heinrich-Heine-Straße, die städtebauliche Wirkung nach Art eines „point de vue“ war dennoch vor allem nach der Errichtung deutlich. Heute ist diese Blickachse durch Baumbewuchs nur noch bedingt erfahrbar, die erhabene Position oberhalb des südöstlich vorgelagerten Hangs und der Zuwegung vom historischen Eingang des Friedhofs aber sehr wohl wirksam. Städtebaulich und im Kontext der umgebenden Park- bzw. Friedhofsflächen ist die Raumwirksamkeit der Totenhalle bemerkenswert: durch die Steigerung der Zuwegung den Hang hinauf über die vorgelagerten Freitreppen und Terrassen, den niedrigen massiven Sockelbau bis hin zur überragenden gläsernen Struktur der eigentlichen Totenhalle wird eine Bedeutungssteigerung und sakrale Erhabenheit erreicht, die den meisten Totenhallen anderer Friedhöfe völlig abzusprechen ist. Gemeinsam mit den anderen denkmalwerten Teilen des Friedhofes an
der Löh besitzt der Komplex der Totenhalle eine unverzichtbare städtebauliche Wirkung und Prägnanz.
Die Totenhalle auf dem Friedhof Löh in Viersen, errichtet 1966/67 nach einem Entwurf des Architekten Heinz Döhmen, ist ein Baudenkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NRW. Sie ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen, hier die Stadt Viersen. An ihrer Erhaltung und Nutzung besteht aus künstlerischen und wissenschaftlichen sowie volkskundlichen und städtebaulichen Gründen ein Interesse der Allgemeinheit.
Quellen
• Bauakte Stadt Viersen
• Exposé Dr. Andreas Priesters, Aachen
• Materialien und Dokumente in Familienbesitz (darunter zahlreiche Fotografien des Gebäudes von Ruth Kaiser, Planunterlagen und Fotos der Modelle)
• Borckholder, Thomas: Der Tod im 21. Jahrhundert. Eine Untersuchung der gesellschaftlichen Einstellungen zum Tod in der Bundesrepublik Deutschland, Norderstedt 2015.
• Döhmen, Heinz: Hand in Hand: der Glasmaler und „sein“ Architekt, in: Brülls, Holger et al.: Spierling – Malerei + Glasmalerei, Paderborn 2019, S. 291-298
• Fischer, N.: Vom Gottesacker zum Krematorium, Köln 1997.
• Landmann, Pia: Krefeld, Pax Christi. Tor zur Ewigkeit. Abrufbar unter: https://www.strasse-der-moderne.de/kirchen/krefeld-pax-christi/, zuletzt besucht am 18.08.2021
• LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland (Hrsg.): Friedhöfe unter Denkmalschutz: Erhaltung - Anforderungen - Perspektiven: Dokumentation zum 28. Kölner Gespräch zur Architektur und Denkmalpflege in Köln, 13. Mai 2019, Pulheim 2019.
• Ziesemer, John: Friedhöfe als Bauaufgabe im 19. Jahrhundert, dargestellt an Beispielen aus Deutschland und Österreich. In: ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees, Der bürgerliche Tod. Städtische Bestattungskultur von der Aufklärung bis zum frühen 20. Jahrhundert. Bd. 44/2007, Seiten 95-105.
Anlagen
Historische Ansichten und Pläne
Ansichten 2021
Stand
Dr. Marco Kieser
Wissenschaftlicher Referent/ Inventarisation
LVR/ Amt für Denkmalpflege im Rheinland
Objektbegehung am 17.10.2021