Listenart | städtische Denkmäler |
---|---|
Listennummer | 573 |
Baujahr | 1882 |
Eingetragen seit | 14.08.2025 |
Flur / Flurstück | 99/614 |
Adresse |
Hohlstraße 46
41747 Viersen |
Geschichte
Das ursprünglich als Lehrerwohnhaus errichtete Gebäude wurde 1882 zusammen mit der hinter dem Schulhof zurückliegenden Schule errichtet. Den Entwurf erstellte der zuständige Königliche Kreisbauinspektor des damaligen Kreises Gladbach; der einzige bekannte, als Kopie erhaltene Plan ist zwar nicht unterschrieben, aber über den Titel eindeutig Wilhelm Ewerding (1840 – 1913) zuzuschreiben Er war bis 1883 Kreisbauinspektor in Gladbach und danach in Krefeld. Seine Zuständigkeit für den Kreis Gladbach behielt er. In Viersen waren von ihm zuvor bereits die Lateinschule an der Wilhelmstraße (1875/76) und die 1881 erbaute, in der Ansicht teilweise sehr ähnliche Schule an der Diergardtstraße (abgerissen) geplant worden.
Beschreibung - Darstellung der wesentlichen charakteristischen Merkmale

Es handelt sich um ein unmittelbar an der Straße bzw. Gehweg gelegenes, zweigeschossiges Gebäude, traufständig mit ziegelgedecktem Satteldach, auf leicht rechteckiger Grundfläche (ca. 10 x 9 m). Rechts schließt ein wohl etwas jüngeres Wohnhaus an, links steht das Lehrerwohnhaus frei. Nach vorne gliedern vier regelmäßige Fensterachsen die Fassade vertikal; der leicht vorstehende Sockel, ein Sägezahn-Geschossgesims (als Sohlbankgesims) und die Trauflinie (nachträglich verkleidet) unterteilen sie horizontal. Die Fensteröffnungen sind durch Fensterbänke und farblich abgesetzte Stichbogenstürze mit vorstehenden linienförmigen Verdachungen akzentuiert.

Die anderen Ansichtsseiten sind stilistisch gleich gehalten. Die Rückseite ist dabei weitgehend ungegliedert und schon bauzeitlich auf den teilweisen Anbau von Nebengebäuden konzipiert. Die zum Hofzugang gerichtete Giebelseite weist zwei Achsen auf. In der linken befindet sich der Hauseingang. Die Öffnungen der rechten Achse in Erd- und Obergeschoss sind als gemauerte Blenden ausgeführt. Im Giebel belichten zwei kleinere, eng gestellte Fenster das Dachgeschoss. Zweiflüglige Holzfenster mit geteilten Oberlichtern und alten Beschlägen sind großenteils erhalten, zum Teil mit Innenläden.
Innen ist die bauzeitliche Raumeinteilung im Wesentlichen mit einfacher, annähernd kreuzförmiger Anordnung der Räume erhalten. Die beiden straßenseitigen Räume sind heute allerdings zusammengelegt. Hinter dem Eingang erschließt der Flur mit bauzeitlichen Ornamentfliesen und einer einläufigen Holztreppe die Räume. Der Anlauf der Treppe ist raumsparend mit einem überhöhten Anfängerpfosten eingedreht; das Geländer sitzt auf gedrechselten Stäben. Rahmenfüllungstüren mit profilierten Gewänden und die Dielenböden im Obergeschoss sind erhalten. Die Kellerräume besitzen gewölbte Decken aus Backstein.
Die rückwärtigen Wirtschaftsgebäude sind stärker verändert und ohne Denkmalwert.
Bedeutung / Denkmalwert
Als Zeugnis des Wachstums von Viersen während der Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert und des damit notwendig verbundenen Ausbaus der öffentlichen Daseinsvorsorge, wobei das Schulwesen generell eine zentrale Rolle spielte, ist das Lehrerwohnhaus, in direktem Zusammenhang mit dem erhaltenen Schulgebäude an der Hohlstraße (ehemals Friedensstraße), bedeutend für Städte und Siedlungen.
Eine ältere Schule für den südlichen Stadtteil Rintgen bestand zuvor am Neumarkt. 1882 wurde dann an der bis dahin kaum bebauten, lediglich mit älteren Fabriken umgebenen Friedensstraße ein neues, größeres Schulgebäude als (katholische) Knabenschule errichtet, zu der auch dieses Wohnhaus gehörte. Dies veranschaulicht insbesondere die ehemals verbreitete Praxis, mit dem Schulbau auch eine Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen, um qualifiziertes Lehrpersonal anwerben bzw. halten zu können. Dies erfolgte entweder durch entsprechenden Ausbau eines (Dach-)Geschosses, einen Anbau am Schulgebäude oder, wie im vorliegenden Fall, in einer aufwändigeren Weise als eigenständiges Gebäude. Hier schließt es in städtebaulich sinnvoller Weise den Schulhof nach vorne zur Straße hin ab und markiert zudem den Eingang zum Schulgelände.
Im engeren Sinne ist das Haus auch von Bedeutung für die Geschichte des Schulwesens und seiner Architektur in Viersen im 19. Jahrhundert. Die Gestaltung als relativ schmuckloser Backsteinbau weist es als vor-historistisch und hauptsächlich „zweckmäßig“ konzipiert aus, entsprechend der Bauzeit um 1880. Da Viersen noch keinen eigenen Stadtbaumeister für ein solches, nicht unbedeutendes öffentliches Bauvorhaben besaß, erstellte der Kreisbauinspektor in Gladbach die Pläne.
Trotz schon relativ früh erfolgter Umnutzungen ist das ehemalige Lehrerwohnhaus gut und anschaulich erhalten. In der Gestaltung mit einfachen Backsteinsichtwänden äußerlich dem Hauptgebäude weitgehend angeglichen – natürlich ohne dessen Zierformen am Mittelrisalit – ist die Zusammengehörigkeit schon äußerlich erkennbar. Der historische Zusammenhang von Schulgebäude und Lehrerwohnung kommt hier in prägnanter Weise zum Ausdruck, und auch im Inneren ist die Bauzeit des späten 19. Jahrhunderts noch prägend. Insgesamt ist das Lehrerwohnhaus daher geeignet, der wissenschaftlichen Forschung zu diesem historischen Bautyp und zur Viersener Ortsgeschichte und Stadtentwicklung im ausgehenden 19. Jahrhundert als anschauliche bauliche Quelle zu dienen. Seine Erhaltung und Nutzung liegt aus wissenschaftlichen (architektur- und ortsgeschichtlichen) Gründen im Interesse der Allgemeinheit.
Quellen
Ortstermin 11.03.2025
Materialsammlung der UDB Viersen, u.a. Akten des Kreisarchivs Viersen, I 2 Alt-Viersen:
Nr. 296, 335, 671 und I 6 Viersen ab 1970 Nr. 3370
Rheinischer Städteatlas Nr. 34: Viersen. Bearb.: K.L. Mackes, 1980
Stand
19.06.2025
Dr. M. Kieser
LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland